Eine Satire.
Neulich im August
hatte ich einen völlig verrückten Traum. Mir träumte, daß jemand das Gästebuch von Reikiland.de zu reinen Werbezwecken missbraucht hatte. Ein Mensch mit klangvoll-schönem Namen, nennen wir ihn einmal Gabriel Engel, rief zum Besuch seiner kommerziell orientierten Website auf: schneller blond werden mit Tai-Ginseng oder so. Oder war es der Mikado-Treff für Grobmotoriker? Egal.
Als ich im Traum die betreffende Seite ansurfte, stellte sich heraus, daß der Betreiber ein gewisser Professor Hans-Dieter Schöffe war. Den kannte ich gut. Schliesslich bekamen ich und auch andere mir bekannte Reiki-MeisterInnen, deren Adressen in der Meisterliste des Reiki-Meister-Rundbriefs zu finden waren, seit Jahren Post von ihm. Es waren Werbesendungen, die wir nie bestellt hatten. Wir sollten Kurse absolvieren in Stufe66-Exxtreme-Power-Reiki, uns von Albert Einstein gechannelte Quark-Einstimmungen geben lassen oder den Zeitpunkt unseres Todes in einem Brocken Pflanzenfett von Aldi sehen können. Sowas verrücktes kann man nur träumen, nicht wahr?
Gabriel Engel war vermutlich
ein Pseudonym. Da seine E-Mailadresse auf die von Professor Schöffe betriebene Domain lautete und er diese auch als seine Homepage angegeben hatte, war anzunehmen, dass es sich bei den Beiden um ein- und dieselbe Person handelte. Da beim Eintrag in mein Gästebuch automatisch die IP-Adresse des Computers gespeichert wird, von dem aus der Eintragende surft, dazu die exakte Uhrzeit, hätte ich dies genau nachprüfen und gegebenenfalls als Missbrauch zur Anzeige bringen können. Aber ich bin ein friedlicher Träumer.
Also löschte ich den Eintrag ab der eindeutigen Werbeeinblendung. Aber ich ärgerte mich darüber, daß dieser Prof. Schöffe nach meinem wehrlosen Briefkasten nun auch meine Website missbrauchte. Und ich fragte mich, ob er die Mailadressen der anderen Gästebuch-Nutzer so benutzen würde wie Adresslisten von Reiki-MeisterInnen. Also schrieb ich einen Kommentar, in dem ich den Grund der Löschung, das Zumüllen meines Briefkastens und meine Befürchtungen thematisierte. In einem Traum geht sowas mit zwei Klicks.
Ich betrachtete diese Traumsequenz
als beendet und wollte mich auf die andere Seite drehen, um von etwas schönem wie dem bevorstehenden Reiki-Chat-Treffen zu träumen. Aber da meldete mir mein Computer weitere Einträge ins Gästebuch.
Siehe da, Gabriel Engel hatte von meiner Gästebuch-Software die Nachricht erhalten, dass sein Eintrag kommentiert worden war, und war mit Lichtgeschwindigkeit vom Himmel herabgestiegen. Er unterstellte mir nun, ein selbsternannter Meister zu sein, der Toleranz und Liebe an bedauernswerte Schüler verkauft, aber dies nicht lebt. Gleichzeitig traf eine nur fünf Minuten später verfasste E-Mail ein, in der mir Prof. Schöffe mitteilte, daß mein Kommentar rufschädigende und beleidigend falsche Tatsachenbehauptungen enthielte. Würden diese nicht zum nächsten Tag High Noon entfernt, würde er Strafanzeige stellen und einen Anwalt samt Unterlassungsklage gegen mich hetzen. Was für ein schlechter Traum!
Ein Schritt nach
dem anderen. Der Beitrag von Gabriel Engel war ein Diskussionsbeitrag und gehörte ins Forum. Also löschte ich ihn, woraufhin er mir drei Stunden später mit einem erneuten Gästebucheintrag Konkurrenzneid unterstellte und per E-Mail seine Anwaltsdrohung wiederholte. Gleichzeitig beantwortete Prof. Schöffe eine automatische Dankes-E-Mail meiner Gästebuch-Software an Gabriel Engel, in der er mit weiteren Einträgen drohte – ein weiteres Indiz dafür, dass es sich um dieselbe Person handelte. Oh, Gott, ich träumte einen Krimi und die Fernbedienung war nicht zu finden.
Auch im Traum kann man Abmahnungen per E-Mail als gegenstandslos betrachten, zumal ich nicht darauf reagierte. Aber absichern wollte ich mich doch. Ich stelle die gesamte Korrespondenz zusammen und mailte sie mit der Bitte um Hilfe nach draussen. Und alle, alle halfen: das Reiki-Magazin und das Lichtinfo, die Internetredaktion und das selfHTML-Forum. Und zu guter Letzt rief mich ein Redakteur des Magazins für Computer und Technik vom Heise-Verlag an. Jetzt war endgültig klar, daß ich träumen musste. Denn kann man so viel Hilfe und Unterstützung im realen Leben bekommen? Wenn es den Prof. Schöffe wirklich geben würde, ich müßte ihm danken für diese Erfahrung, Teil eines lebendigen und funktionierenden Netzwerkes zu sein.
Auch wenn ich nicht viel zu befürchten hatte,
ja, den Prof. Schöffe selbst hätte verklagen können, so finde ich Auseinandersetzungen vor Gericht wenig konstruktiv. Und bin letztendlich ein friedlicher und harmoniebedürftiger Mensch. Ich wollte mich endlich auf die andere Seite drehen und von Dingen träumen, die es wert waren, Zeit und Energie hineinzugeben. Also kam ich, kurz vor dem Zeitpunkt an dem Prof. Schöffe mit seinen Revolvermännern die Main Street betreten wollte, seiner Forderung nach. Wo kein Kläger, da kein Richter.
Und ich muß sagen, ich habe seitdem wundervolle Träume gehabt: von lachenden Reiki-Chattern, einem Zeltlager voll Reiki-Menschen und einer blonden Frau, die mich mit liebenden Augen angesehen hat. Aber kein Professor Schöffe mehr, der sich nach dem Genuß eines absurden Gebräus in Gabriel Engel verwandelt und auszieht, arglose Gästebücher zu terrorisieren. Aber ganz vorenthalten wollte ich euch diesen Traum nicht. Auch wenn er frei erfunden ist und keinen Bezug zur Realität hat, oder?