Wege der Ganzwerdung

Els Valkenburg-Walsteijn: Der Reiki-Ratgeber

Reiki-RatgeberIris, Amsterdam 2005, 304 S., 22,90 Euro

Dieses Buch erschien zuerst im Niederländischen und bietet mit seinen
über 300 großformatigen Seiten eine Menge Lesestoff. Allein das
Inhaltsverzeichnis umfasst 21 Seiten und zeigt den besonderen Ansatz
dieses Ratgebers: Mit Antworten auf über 800 thematisch zugeordnete
Fragen gibt die Autorin ihre Kenntnisse über Reiki – wie aus dem
Internet bekannt – in Art der "Frequently Asked Questions (FAQ)"
weiter. Dabei zielt sie laut Vorwort darauf ab, Reiki bodenständig und
frei von Firlefanz oder Brimborium (S. 30) zu vermitteln. Ob dies der
Autorin gelingt, die 1994 ihren Reiki-Weg begann und seit 1996
unterrichtet?

Bei den ersten Themengebieten "Was ist Energie?", "Was ist Reiki?" und "Vor einem Reiki-Kurs" wird Els Valkenburg-Walsteijn einer differenzierten Darstellung weitgehend gerecht. Beispielsweise ganz bodenständig zum Thema Einstimmung: "Das Einstimmen ist kein glorreiches Halleluja-Geschehen, sondern ganz simpel eine Einstimmung auf eine Frequenz, das Öffnen einer vorhandenen Tür." (S. 65) 

Umso erstaunlicher, dass die Lehrerin an anderen Stellen dann doch "Märchen" aus der Reiki-Welt verbreitet. So wird in zwei Antworten der Mythos einer auf der Dauer von 21 Tagen basierenden Reinigungsphase nach dem Reiki-Seminar eingebracht und mit der Dauer von Usuis Retreat begründet (S. 103).

  

Positiv fällt – neben dem für Reiki-Autoren ansonsten leider eher unüblichen Studium und Nachweis von Sekundärliteratur – die Offenheit der Autorin auf. Dies dürfte vor allem auf ihre Ausbildung in mehreren Reiki-Systemen zurückzuführen sein, was sich auch in einem gelungenen †berblick über die verschiedenen Systeme und Vereinigungen niederschlägt (S. 106ff). Umso erstaunlicher, dass sie behauptet: "Das Spüren des Energiestroms ist absolut nebensächlich." (S. 74), ist doch weithin bekannt, dass dies z. B. in japanischen Stilen ein zentraler Aspekt beim Reiki-Geben ist.

Angenehm ist der Umgang mit den Diskrepanzen zwischen der Reiki-Legende und der tatsächlichen Historie, die bei anderen Autoren zuweilen in ein Takata-Bashing ausartet. So ist hier über Takatas Art, die Reiki-Geschichte zu erzählen, zu lesen: "Im Nachhinein ist diese Taktik sicher gut gewesen, denn die Beziehungen zwischen Japan und den USA waren in den 1930er-40er Jahren und auch danach bedingt durch die Geschichte besonders heikel und womöglich wäre sonst Reiki nie in die westliche Welt gelangt." (S. 103)

Extrem aufwändig sind die vorgestellten Behandlungsformen: Die Eigenbehandlung (S. 160-164) umfasst 24 Positionen, die Partnerbehandlung 29 Positionen (S. 145-154).

Die Symbole des zweiten Grades werden im Buch nicht abgebildet, allerdings mit den Mantren benannt. Vollständig gerecht wird die Autorin ihrem Anspruch, wenn sie sehr viele Möglichkeiten aufzeigt, wie man sich bei der Praxis des Fern-Reiki besser fokussieren kann. Die Aussage, dass Takata jedem der 22 von ihr eingeweihten Meister andere Symbole mitgegeben hätte (S. 195), steht zumindest im Widerspruch zu meinen Recherchen.

Sehr ungewöhnlich wird es dann beim Thema Meistersymbol, wo die Autorin nur ein Drittel des Symbols als Meistersymbol bezeichnet und somit zwischen DKM und Meistersymbol differenziert – ein Ansatz, der mir zuvor noch nirgendwo anders begegnet ist. Insofern nimmt es sich vergleichsweise harmlos aus, dass die Trennung in 3A und 3B-Grad als Standard und der klassische dritte Grad eher wie die Ausnahme wirkt (S. 235).

Nach diesem aus meiner Sicht nicht ganz sattelfesten Teil über den Meistergrad enthält das Kapitel H "Wenn du Reiki-Lehrer bist" wieder zahlreiche wertvolle Anregungen hinsichtlich der Gestaltung und des Inhalts der Reiki-Seminare. Auffallend allerdings, dass die Reiki-Lebensregeln als Lerninhalte nicht aufgeführt werden, sondern nur am Rande  auftauchen  (S. 263).

Das Werk schließt mit einer langen Liste von Reiki-Büchern, Tonträgern und Internetseiten sowie einem Stichwortverzeichnis. Sehr gelungen ist die Koppelung des Buches mit der Internetseite www.der-reiki-ratgeber.de, wo LeserInnen aktualisierte Informationen finden sollen. Tatsächlich gibt es dort einige Fragen, die im Buch noch nicht behandelt wurden. Bei den Links dagegen scheint derselbe Stand wie aus dem Buch mit entsprechenden Fehlern online zu sein – beispielsweise werden Forum und Chat des von mir betriebenen Reiki-land.de einer Website von Laila Schenk zugeordnet. Auch findet sich der Satz: "Els hat mit Jahresbeginn 2004 ihre Lehrtätigkeit beendet, um sich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren", der auf mich nicht unbedingt vertrauenserweckend wirkt.

Insgesamt hinterlässt das Buch bei mir einen zwiespältigen Eindruck, der aber ins Positive tendiert. Um der Intention der Autorin weitestgehend zu entsprechen, dafür enthält das Werk zu viele Aussagen, die aus meiner Sicht nicht korrekt bzw. nicht ausreichend differenziert sind. Wer dies allerdings im Hinterkopf behält, der findet ein über weite Strecken bodenständiges und undogmatisches Buch vor, das zahlreiche Anregungen enthält, mit einem neuartigen Aufbau punktet und gerade Meister-Kandidaten viele Möglichkeiten bietet, ihre Standpunkte zu überprüfen und zusätzliche Sichtweisen zu erlangen.

 

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Erstveröffentlichung der Rezension im Reiki-Magazin Nr. 4/07

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Frank Doerr

Veröffentlicht von

Intensive Reiki-Praxis seit 1993 und beständige Fortbildung. 1998 Reiki-Meister der 6. Generation in der Linie Usui – Hayashi – Takata – Furumoto – Kindler. Von 1994 bis 2009 Mitarbeiter beim Reiki-Festival. 1996 im Gründungsteam des Reiki Magazins, seitdem Redaktionsmitglied bzw. freier Mitarbeiter. Seit 1999 Chefredakteur von Reikiland.de. Veranstalter der ReikiCon (seit 2010) sowie Gründungsmitglied von ProReiki. Publikationen: Die Reiki-Lebensregeln (Windpferd 2005), Das Reiki-Meister-Buch (Windpferd 2007). CD mit Merlin's Magic: Reiki-Elixier inkl. Booklet (Windpferd 2007).

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