Haug Verlag, 224 Seiten, 39,99 Euro
Mark Hosak ist als Autor bereits durch mehrere Publikationen bekannt und geschätzt. Seine Liebe zu Japan geht über Reiki und Reisen hinaus, so dass er sich entschieden hat, Ostasiatische Kunstgeschichte und Japanologie zu studieren und hier einen Doktortitel zu erlangen. Das Schreiben wissenschaftlicher Texte hat er durch sein Studium gut einüben können, und so verwundert es nicht, dass es ihm gelungen ist, sein neues Reiki-Buch in einem wissenschaftlich orientierten Fachverlag herauszubringen.
Für ein Buch zum Thema Reiki ist dies ein Novum. Der Haug Verlag ist bekannt dafür, Expertenwissen auf dem Gebiet der komplementären Medizin auf hohem Niveau zu veröffentlichen. Er ist Teil der Thieme Verlagsgruppe, die Bücher und Zeitschriften rund um die Bereiche Medizin und Gesundheit sowie die angrenzenden Naturwissenschaften herausbringt. Dass Reiki, bisher überwiegend als spirituelle Methode wahrgenommen, es nun geschafft hat, in diesem fachlichen Kontext zu erscheinen, ist für die gesellschaftliche Anerkennung von Reiki bedeutsam. Ich denke, es ist sogar ähnlich bedeutsam wie die Tatsache, dass Reiki nun schon seit vielen Jahren am renommierten Unfallkrankenhaus Berlin (ukb) in großem Stil für die Patienten Anwendung findet (das Reiki Magazin berichtete).
Da die Buchcover beim Haug Verlag durchgängig in einem bestimmten Stil gehalten sind, ist auch das Cover von „Reiki in der therapeutischen Praxis“ derart gestaltet. Viel individueller Spielraum bleibt da nicht. Zur Darstellung auf dem Cover wurden die japanischen Schriftzeichen für „Shingon Reiki“ ausgewählt.
Shingon Reiki ist der von Mark Hosak begründete Reiki-Stil, entwickelt aus seinen Forschungen seit 1993 im Bereich Reiki und Shingon-Buddhismus. Dabei bezieht sich Mark Hosak insbesondere auf jene Quellen, aus denen Mikao Usui wohl selbst geschöpft hat, wobei die buddhistischen Quellen diesbezüglich im Mittelpunkt zu stehen scheinen. Im gesamten Buch werden durchgängig Methoden und Techniken des Shingon Reiki geschildert. Im Vorwort des Autors heißt es dazu, dass sämtliche Techniken, die im Buch vorgestellt werden, in einer Weise dargestellt sind, dass jeder Reiki-Praktizierende des 1. und 2. Grades – ganz gleich welchen Reiki-Stils – diese anwenden kann.
Für Reiki-Praktizierende, die Reiki in einem Stil erlernt haben, der keine große Anzahl spezieller Techniken umfasst, gibt es also zahlreiche Experimentiermöglichkeiten. Dabei scheint mir jedoch wichtig zu sein, darauf zu achten, dass nun nicht der Eindruck entsteht, als hätte man in seiner Reiki-Ausbildung nicht ausreichend gelernt oder als wäre einem Wissen gar vorenthalten worden. Hier ist es gut, sich erst einmal grundsätzlich auf die eigene Reiki-Ausbildung zu beziehen und sich nicht dadurch verunsichern zu lassen, dass in manchen Stilen wie beispielsweise dem Shingon Reiki mehr Wert auf eine große Anzahl spezieller Techniken gelegt wird. Die Inhalte des Buches kann man so, auf dieser Basis, als Anregungen für die eigene therapeutische Praxis nehmen – und was nicht zur eigenen Reiki-Praxis passt, kann man auch getrost weglassen.
Der Aufbau des Buches gefällt mir insgesamt sehr gut. Zu Beginn wird auf den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschungen in Bezug auf Reiki und die verschiedenen Testmöglichkeiten eingegangen. Dabei werden wichtige Fragen aufgeworfen, die bei bisherigen wissenschaftlichen Studien zu Reiki oft unbeachtet geblieben zu sein scheinen – so beispielsweise Fragen zur Ausbildung und zur Einweihungslinie von teilnehmenden Reiki-Anwendern wie „Haben alle Reiki-Anwender den gleichen Reiki-Grad?“, „Wurden alle Reiki-Anwender auf die gleiche Weise in Reiki eingeweiht?“ und „Sind die Reiki-Anwender aus einer ununterbrochenen Linie, die auf Mikao Usui zurückzuführen ist?“.
Dies kann vor allem deshalb von Bedeutung für eine Studie sein, weil, wie der Autor anmerkt, es seiner Erfahrung nach möglicherweise Unterschiede in der Reiki-Kraft und -Wirkung gibt, wenn Reiki-Meister Einweihungen verändern oder wenn aufgrund unterschiedlicher Reiki-Stile und -Linien die Einweihungen variieren. Insbesondere wenn in Studien, was auch schon stattfand, die Wirkung geistigen Heilens insgesamt untersucht werden soll, und dabei Anwender sogar völlig verschiedener Heilsysteme „in einen Topf“ geworfen werden, stellt sich für mich doch die Frage, inwieweit diese Studien überhaupt aussagekräftig sind bzw. was dabei eigentlich genau untersucht worden sein soll.
Darüber hinaus geht es in diesem Kapitel auch um weitere sehr wesentliche Themen in diesem Zusammenhang, die so ausführlich und kompetent wie hier bislang in keiner anderen Publikation zu Reiki thematisiert wurden. Dazu gehört auch die Frage, in welcher Weise Reiki im schulmedizinischen Bereich angewandt werden kann und was dabei aus Sicht des Autorsgrundsätzlich sowie im Detail zu beachten ist.
Im Kapitel „Neue Erkenntnisse über historische Hintergründe und Symbole“ sind die vielen geschichtlichen Informationen über Mikao Usui und die Zeit, in der er lebte, gut zusammengefasst. Bei manchen Informationen, gerade auch zum Leben Usuis oder zu der Frage, welche spirituellen Techniken er wohl angewandt hat, ist mir die Quelle nicht immer ganz klar. Nichtsdestotrotz finde ich es immer wieder spannend, auch in die Zeit von Usui einzutauchen – haben wir doch häufig kaum eine Vorstellung davon, was zu Zeiten Usuis in Japan alles geschah.
Hier zeigt sich erneut eine besondere Stärke des Autors, was seine Forschungen zur japanischen Sprache angeht. Er geht sehr detailliert und für den Leser nachvollziehbar auf die verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten der alten japanischen Sprache ein, um so ein besseres Verständnis beispielsweise der Bedeutung der Reiki-Lebensregeln zu ermöglichen. Wie schon im Reiki-Magazin-Sonderheft „Mikao Usui – Leben und Wirken“ wiedergegeben, verwendet Mark Hosak hier eine auf seinen Sprachforschungen basierende Version der Lebensregeln. So ergeben sich weitere Bedeutungsebenen im Verständnis dieser für den Reiki-Praktizierenden wichtigen geistigen Prinzipien.
Im Kapitel „Neue Erkenntnisse über historische Hintergründe und Symbole“ werden grundlegende Aussagen zum Umgang mit Symbolen getroffen, im Zusammenhang mit der Reiki-Anwendung ab dem 2. Grad, verbunden mit allgemeinen Grundgedanken hierzu. Die drei Symbole des 2. Grades werden vorgestellt und abgebildet. Dabei wird deutlich, dass die Gestalt der hier abgebildeten Symbole sich zum einen an dem wahrscheinlichen Ursprung aus der buddhistisch geprägten Siddham-Schrift (> 2. Symbol), zum anderen an Regeln der japanischen Kalligraphie (> 3. Symbol) orientiert. Insofern müssen sich diese Versionen mit anderen, weithin gebräuchlichen Versionen der Symbole, z.B. mit auf Takata zurückgehenden Versionen, nicht unbedingt eins zu eins decken. Beim 3. Symbol wird im Buch zusätzlich eine „Strichreihenfolge-Takata-Version“ abgebildet, wobei die Frage der Quelle hierfür offen bleibt – und die Frage, ob es überhaupt eine Takata-Version eines jeden Symbols gibt, gar nicht erst gestellt wird.
Mit der erneuten Veröffentlichung von Reiki-Symbolen (das erste Mal wurden von Mark Hosak bereits im Jahr 2004 in „Das große Buch der Reiki-Symbole“ Reiki-Symbole veröffentlicht) stellt sich erneut die grundsätzliche Frage des Sinns bzw. der grundlegenden Motivation einer Veröffentlichung dieser Symbole überhaupt. Mark Hosak spricht in diesem Zusammenhang von der Wichtigkeit einer „korrekten Schreibweise“ der Symbole für eine „optimale Wirkung“. Dabei wäre eine weitergehende Diskussion unter Reiki-Meistern verschiedener Reiki-Stile interessant, was denn mit dem Begriff „korrekte Schreibweise“ eigentlich genau gemeint sein könnte bzw. in welchen anderen Zusammenhängen – außer in der historischen Betrachtung – ein Symbol noch als „korrekt gezeichnet“ betrachtet werden kann.
In einem weiteren Kapitel geht der Autor auf die Ganzbehandlung mit Reiki ein. Zu jeder Handposition gibt es ein Foto und einen Begleittext, der die jeweilige Handposition und deren Wirkung beschreibt. Interessant finde ich hier, dass auf den Fotos, die die Kopfpositionen zeigen, der Behandler stehend und die behandelte Person sitzen abgebildet sind; anstatt, wie sonst üblich, der Behandler sitzend und die behandelte Person liegend. Mark Hosak geht hier auf sehr viele Positionen ein, insgesamt zähle ich 40. Er schreibt dazu aber auch, dass nicht jede dargestellte Position ein Teil jeder Behandlung sein muss, sondern dass man situationsbedingt vorgehen kann. So werden im Anschluss auch mögliche Kombinationen von Handpositionen für verschiedene Funktionsbereiche (z.B. Herz-Kreislauf) vorgeschlagen.
Im Kapitel „Spezielle Reiki-Techniken“ werden umfangreiche Möglichkeiten gezeigt, wie man Reiki sehr gezielt einsetzen kann. Es werden verschiedene Variationen der Mentalheilung vorgestellt, beispielsweise für Muskeln und Wirbelbereiche, und auch dem Gehirn, mit seinen verschiedenen Gehirnarealen (Hirnstamm, Amygdala etc.), wird viel Beachtung geschenkt. Zum besseren Verständnis der Hirnphysiologie gibt es Bilder, auf denen die einzelnen Areale im Gehirn gut sichtbar dargestellt sind, so dass man eine Vorstellung der Lage beispielsweise der Amygdala bekommt. Themen entsprechender Behandlungen können u.a. das Ausleiten hinderlicher Emotionen, Stress und Angst sowie die Behandlung von „Teilpersönlichkeiten“ oder „Karma-Auflösung“ sein.
Dem Thema „Reiki bei bestimmten Indikationen“ widmet Mark Hosak ein Extra-Kapitel. Hier geht er auf die Wichtigkeit der Ursachenforschung ein und gibt Hinweise zu Studien, Behandlungsmöglichkeiten und eventuellen Verläufen. Mit den drei in diesem Kapitel hauptsächlich behandelten Indikationen, „Krebs“, „Schmerzen und Ängste“ und „Burnout und Stress“, sind professionelle Reiki-Praktizierende erfahrungsgemäß häufig konfrontiert. Die hier gegebenen Informationen haben das Potenzial, mögliche Angst seitens des Reiki-Behandlers im Umgang mit diesen so komplexen Krankheiten aufzulösen und Wege zu erkennen, die im Umgang damit hilfreich sind – für den Behandler sowie für den Klienten. Es ist ja bekannt, dass manche Therapeuten dazu neigen, sich manchmal selbst zu vergessen bzw. sich übertrieben um andere und kaum um sich selbst zu kümmern. Deshalb finde ich es sinnvoll, dass der Autor auch diesem Thema ausreichend Aufmerksamkeit widmet.
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Der Schreibstil, mit seinen vielen Verweisen und Hinweisen zu Quellen (die am Ende des Buches zu finden sind), macht es einem nicht so leicht, alle Texte immer flüssig zu lesen, d.h. so wie bei einem Roman zu konsumieren – was aber ja auch nicht Sinn und Zweck eines Fachbuches ist. Immer wieder sind „kleine Perlen“ im Buch zu finden, wie beispielsweise die „Handgymnastik“ auf S. 79, zwecks energetischer Sensibilisierung vor einer Behandlung. Insgesamt betrachtet ist die thematische Vielfalt des Buches bemerkenswert und zeugt von großer Erfahrung und Sachkenntnis des Autors. Übersichtstabellen und ein Sachverzeichnis am Ende sowie ein detailliertes Inhaltsverzeichnis machen es einfach, einzelne Themen gezielt nachzuschlagen.
Die Überschrift auf dem Klappentext des Buches lautet: „Shingon-Reiki ganz praktisch“. Und das ist es auch. Deshalb wäre der Titel „Shingon-Reiki in der therapeutischen Praxis“ als Buchtitel noch treffender gewesen.
Einschätzung der Redaktion des Reiki Magazin:
Interessantes, vielschichtiges Praxis-Buch!
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