Ein persönlicher Bericht zum Reiki-Festival 1999
abgedruckt im Reiki-Magazin Nr. 2/2000
Ich bin auf der Heimreise
vom Reiki-Festival 1999, noch ganz erfüllt von den Erfahrungen und merke, wie sie aufgrund ihrer Fülle schon zu verschwimmen scheinen.
Gleich zu Beginn des Treffens
fragte ich mich, ob sich mein Kommen denn gelohnt hätte. Hatte dies noch die Intensität früherer Treffen? Anfangs, als alles noch neu und meine Aufgabe als Tontechniker zwar stressig war, es aber so viel zu lernen gab. Als wir uns mit dem Frankfurter Kreis in Arthurs Kneipe die Nächte um die Ohren schlugen, sprachen, tranken und tanzten. Oder letztes Jahr, das für mich im Zeichen von Meister-Einweihung, Entspanntheit und Liebe stand. Konnte danach denn überhaupt noch etwas kommen?
Und dann kam das Festival –
und ich mit ihm – immer mehr in Fluß, und ich spürte die besondere Qualität, die dieses Treffen für mich bereithielt. Es war ein tiefer, innerer Friede, ein Punkt in mir, an dem es keine Fragen mehr gab, sondern nur noch die Wahrnehmung dessen, was gerade war. Es zu fühlen, es anzunehmen und aus dem Herzen heraus zu sprechen. Hand in Hand mit dieser Wahrnehmung meiner selbst kam – passend zu dem Motto “Reiki in Gemeinschaft” – die Feststellung, daß es der anwesenden Reiki-Gemeinschaft genauso zu gehen schien.
Wie gut hatte ich plötzlich
die ersten Jahre des Treffens vor Augen, als bei den offenen Runden eine Frage die andere jagte, deren Grundtenor in der Regel derselbe war: “Phyllis, sag uns, was richtig und was falsch ist!” Und jetzt: Stille. Und dazwischen nur Wesen, die einander mit ihrem Sein öffneten. Eine Großmeisterin, die nicht mehr lehren mußte, sondern sich einfach beschenken lassen konnte.
Was für eine andere Phyllis!
Eine Phyllis, die Reiki-Mensch unter Reiki-Menschen sein durfte und uns – und sich selbst – dadurch viel von der Sängerin Phyllis geben konnte. Etwas, das gerade auch durch die Anwesenheit von Rick Bockner zum Tragen kommen konnte. Ich kann mich nicht erinnern, daß jemals ein Treffen so voll Musik gewesen ist: Phyllis, Rick mit seiner Gitarre, Gerhard, der oft auch in den Pausen ganz allein mit Keyboard, Saxophon und Flöten spielend eine ganze Combo ersetzte, Ikechukwu mit seinen Djembes, die die Gemeinschaft zum Trommeln und Tanzen brachte, und Karin, die mit wundervoller Stimme die Tänze des universellen Friedens anleitete. Und alle unterstützen sich gegenseitig bei ihren musikalischen Parts. War es ein Wunder, daß auch ich – neben dem Trommeln – Raum fand, der Gemeinschaft zusammen mit Phyllis meinen Gesang zu schenken? Und dafür viel Dank und ehrliche, wohltuende Worte zurückbekam, bis hin zu Ricks “you’re a great voice”.
Das Besondere dieses Festivals
manifestiert sich nicht in äußeren Attraktionen. Wer ein großartiges Programm erwartet, der wird die Treffen in Kleingruppen, in denen jeder die Möglichkeit zum Mitteilen fand, nicht sehr anziehend finden. Doch mir sind jene Menschen der Gruppe, die ich leiten durfte, im Laufe des Treffens ans Herz gewachsen. Ein großes Thema wurde dabei die Identität der Deutschen. Denn Phyllis hatte bei ihrem Vortrag “tote Elefanten” in deutschen Kellern ans Licht gebracht: Nazivergangenheit, Wiedervereinigung und fehlendes Nationalbewußtsein rüttelten viele ZuhörerInnen auf. Muß in diesem Land Nationalstolz stets den Ruch von Rechtsradikalismus haben? Sicher nicht, wenn dieser Stolz sich auf die Qualitäten unseres Landes und seiner Menschen bezieht und ohne Abwertung des Anderen auskommt.
So endete dieses Treffen
denn auch mit einer rührenden Ansprache des Niederländers Boudewin. In den letzten 20 Jahren sind viele FreundInnen von mir in Holland aufgrund ihrer Nationalität Haß und Gewalt ausgesetzt gewesen und in diesem sonst so toleranten Land dem Wesen des Faschismus begegnet. Wie wunderbar war es da, einen Botschafter dieses Landes Worte der Versöhnung und Anerkennung sprechen zu hören.
All dies klingt
über dem Rollen der Räder in mir nach. Gesichter von Menschen, die neu in mein Leben getreten sind, ziehen vor der nächtlichen Landschaft vorbei. Ich kehre nach Hause zurück und bin doch längst schon angekommen.