Wer war mal in der Psychatrie?
Moderatoren: Elvira, AdminTeam
Liebe Phoebe
Ich habe jetzt schon sehr lange über dein Posting nachgedacht, und weis nicht recht wie ich dir Antworten soll.
Vielleicht könntest du mal näher beschreiben wie und in welchen Situationen du diese Bevormundung erlebt hast. Wenn Alrik schreibt, das erinnert ihn an „einer flog über das Kuckucksnest“ dann muß ich ihm recht geben, mich auch. Aber das Buch ist schon seit einigen Jahrzehnten im Handel und es hat sich im allgemeinen einiges zum Besseren geändert.
Es ist aber auch ein Vorurteil, daß in der Psychiatrie nur arme, liebenswert schrullige Menschen sind, die „runtergehobelt“ werden um sie wieder gesellschaftsfähig zu machen. Wenn dem so wäre, hätte ich meinen Beruf schon lange an den sprichwörtlichen Nagel gehängt. Psychische Erkrankungen sind ernsthafte Einschnitte in die Lebensqualität des einzelnen und seiner Umgebung und oft mit viel Leid und Leiden bei allen Beteiligten verbunden. Oft merkt der /die Erkrankte selber nicht was mit ihm/ihr los ist, für sie/ihn ist das was sie/er sieht blanke Realität. (z.B.: der Nachbar will ihn vergiften, der Teufel spricht zu ihm, das Leben ist es nicht wert gelebt zu werden u.s.w.), ich glaube nicht, daß diese Personen in diesem Moment eine ausgesprochen hohe Lebensqualität haben.
Gut, das dazu.
Leider hat die Psychiatrie immer noch gegen ein schweres Erbe zu kämpfen, das sich auch nicht leugnen lässt.
Im dritten Reich sind viele schlimme Dinge passiert, die bis heute das Bild der Psychiatrie in der Gesellschaft prägen. Auch Bezeichnungen wie Klapsmühle, Spinnhaus usw. sind noch geläufig. Dazu kommt dann immer noch das Bild des machtgeilen Psychiaters der selber nicht ganz gesund ist, die indolente faule und grausame ständig nur Kaffee saufende Krankenschwester und der bullige, dumpfe, brutale Pfleger, der wo anders keinen Job bekommen hat. (ich bin übrigens auch über zwei Zentner schwer und 186cm groß, Zufälle gibt`s )
Die gesellschaftliche Anerkennung der Psychiatrie als medizinische Disziplin, die z.B. der Chirurgie gleichgestellt wäre, läßt noch lange auf sich warten. Ich kann allerdings damit leben, häufig schief angeschaut zu werden wenn ich sage wo ich arbeite. Mein Arbeitsfeld, also die geschlossene Gerontopsychiatrie ist kein Ort wo man sich mit Heldentaten brüsten kann. „Was lauter Alte und dann auch noch verwirrt, wie hältst du das aus !“ ist ein Satz den ich häufig zu hören bekomme, „Ich könnte das nicht“ ein anderer..., mir ist sogar schon eine Freundschaft daran zugrunde gegangen, weil ich in der Psychiatrie arbeite und der Meinung dieser Person nach soviel Leid verursache...
Aus dieser schlechten und in vielen Fällen unberechtigten Lobby heraus erklärt sich dann oft warum Psychiatrien in so alten, häßlichen, versteckten Gebäuden untergebracht sind.
Kein Geld für die Klapse !!! So sieht’s aus.
Es ist ein Kampf gegen Windmühlen für Pflegende, Ärzte und Patienten endlich zu gesellschaftlicher Anerkennung zu kommen. Man lehnt sich zurück, schimpft über die „Zustände“ und ist heimlich froh darüber das man nicht zu „Denen“ gehört. Letztens mußten eine Kollegin und ich mit anhören wie ein Sohn seiner Mutter die Lebensberechtigung abgesprochen hat.
Nicht die Psychiatrien sind grausam, sondern die Gesellschaft die Psychiatrien braucht !!!!!
Und zu dieser Gesellschaft gehören unter anderem Ich und Du, und die vielen anderen , die so gerne ihren individuellen Film leben, ihre Freiheit lieben und ihre Eigenständigkeit zelebrieren.
Zeig mir eine menschlichere Gesellschaft und ich zeig dir bessere Psychiatrien, als du sie erlebt hast.
Und glaub mir, es gibt Menschen die arbeiten an beidem !
In diesem Sinne
Einen schönen Tag noch.
Claus
Ich habe jetzt schon sehr lange über dein Posting nachgedacht, und weis nicht recht wie ich dir Antworten soll.
Vielleicht könntest du mal näher beschreiben wie und in welchen Situationen du diese Bevormundung erlebt hast. Wenn Alrik schreibt, das erinnert ihn an „einer flog über das Kuckucksnest“ dann muß ich ihm recht geben, mich auch. Aber das Buch ist schon seit einigen Jahrzehnten im Handel und es hat sich im allgemeinen einiges zum Besseren geändert.
Es ist aber auch ein Vorurteil, daß in der Psychiatrie nur arme, liebenswert schrullige Menschen sind, die „runtergehobelt“ werden um sie wieder gesellschaftsfähig zu machen. Wenn dem so wäre, hätte ich meinen Beruf schon lange an den sprichwörtlichen Nagel gehängt. Psychische Erkrankungen sind ernsthafte Einschnitte in die Lebensqualität des einzelnen und seiner Umgebung und oft mit viel Leid und Leiden bei allen Beteiligten verbunden. Oft merkt der /die Erkrankte selber nicht was mit ihm/ihr los ist, für sie/ihn ist das was sie/er sieht blanke Realität. (z.B.: der Nachbar will ihn vergiften, der Teufel spricht zu ihm, das Leben ist es nicht wert gelebt zu werden u.s.w.), ich glaube nicht, daß diese Personen in diesem Moment eine ausgesprochen hohe Lebensqualität haben.
Gut, das dazu.
Leider hat die Psychiatrie immer noch gegen ein schweres Erbe zu kämpfen, das sich auch nicht leugnen lässt.
Im dritten Reich sind viele schlimme Dinge passiert, die bis heute das Bild der Psychiatrie in der Gesellschaft prägen. Auch Bezeichnungen wie Klapsmühle, Spinnhaus usw. sind noch geläufig. Dazu kommt dann immer noch das Bild des machtgeilen Psychiaters der selber nicht ganz gesund ist, die indolente faule und grausame ständig nur Kaffee saufende Krankenschwester und der bullige, dumpfe, brutale Pfleger, der wo anders keinen Job bekommen hat. (ich bin übrigens auch über zwei Zentner schwer und 186cm groß, Zufälle gibt`s )
Die gesellschaftliche Anerkennung der Psychiatrie als medizinische Disziplin, die z.B. der Chirurgie gleichgestellt wäre, läßt noch lange auf sich warten. Ich kann allerdings damit leben, häufig schief angeschaut zu werden wenn ich sage wo ich arbeite. Mein Arbeitsfeld, also die geschlossene Gerontopsychiatrie ist kein Ort wo man sich mit Heldentaten brüsten kann. „Was lauter Alte und dann auch noch verwirrt, wie hältst du das aus !“ ist ein Satz den ich häufig zu hören bekomme, „Ich könnte das nicht“ ein anderer..., mir ist sogar schon eine Freundschaft daran zugrunde gegangen, weil ich in der Psychiatrie arbeite und der Meinung dieser Person nach soviel Leid verursache...
Aus dieser schlechten und in vielen Fällen unberechtigten Lobby heraus erklärt sich dann oft warum Psychiatrien in so alten, häßlichen, versteckten Gebäuden untergebracht sind.
Kein Geld für die Klapse !!! So sieht’s aus.
Es ist ein Kampf gegen Windmühlen für Pflegende, Ärzte und Patienten endlich zu gesellschaftlicher Anerkennung zu kommen. Man lehnt sich zurück, schimpft über die „Zustände“ und ist heimlich froh darüber das man nicht zu „Denen“ gehört. Letztens mußten eine Kollegin und ich mit anhören wie ein Sohn seiner Mutter die Lebensberechtigung abgesprochen hat.
Nicht die Psychiatrien sind grausam, sondern die Gesellschaft die Psychiatrien braucht !!!!!
Und zu dieser Gesellschaft gehören unter anderem Ich und Du, und die vielen anderen , die so gerne ihren individuellen Film leben, ihre Freiheit lieben und ihre Eigenständigkeit zelebrieren.
Zeig mir eine menschlichere Gesellschaft und ich zeig dir bessere Psychiatrien, als du sie erlebt hast.
Und glaub mir, es gibt Menschen die arbeiten an beidem !
In diesem Sinne
Einen schönen Tag noch.
Claus
So geht das
(Kurt Vonnegut)
(Kurt Vonnegut)
Hallo Kobold,
Ich kann Dich sehr gut verstehen. Ich war vor einigen Jahren wegen Suizidversuches aufgrund schwerer Depressionen auch in der Psychatrie. Eigentlich habe ich mich dort sehr gut aufgehoben gefühlt. Ein Ort, an dem ich meine Probleme einmal hinter mir lassen konnte und viele nette Menschen kennen gelernt habe. Man hat mir dort auch wirklich geholfen (das
Ärzte- und Pflegerteam waren einfach Spitze) und heute geht es mir sehr gut.
Trotzdem habe ich jetzt einen Horror vor dieser Einrichtung. Von den fünf Menschen, die ich dort am liebsten hatte sind zwei durch eigene Hand verstorben, einer ist aufgrund eines Selbstmordversuches (in der Klinik) schwerstbehindert, einer ein schwerer Alkoholiker geworden und der letzt auf nimmer wiedersehen verschwunden. Keiner weiß, was aus ihm geworden ist.
Die Vorstellung, dorthin zurückzugehen (und sei es als Besucher) ist einfach grauenvoll. Ich weiß, das dort vielen Menschen wirklich geholfen werden kann. Aber ich muss immer an die denken, die es nicht schaffen. Jeder, der mir dort über den Weg läuft, ist für mich zum potenziellen Todeskandidaten geworden und damit kann ich nicht umgehen.
Ich würde es aber trotzdem tun, wenn ein mir lieber Mensch dort wäre. Ich weiß, wie wichtig diese Unterstützung für den Betroffenen sein kann.
Falls dieses Thema für dich noch aktuell ist, versuch es doch einfach. Wenn es hilfreich ist, kannst du ja noch jemanden mitnehmen, der dich ein wenig unterstützt. Vielleicht ist es gerade deine Anwesenheit, die deinem Bruder helfen kann, zurück ins Gleichgewicht zu kommen. Viele Patienten durften bei uns die Station verlassen. Wenn Dein Bruder das auch darf, musst Du ja nicht mit ihm in der Klinik bleiben.
Aber wenn du es nicht kannst, ist es auch in Ordnung (du solltest es aber wenigstens versuchen). Dann kannst du deinen Bruder ja anders unterstützen. Telefonier mit ihm oder schreib ihm öfter einen Brief. Das wichtigste ist, das du ihm mitteilst, das er dir wichtig ist und das du zu ihm stehst. Du solltest ihm auch erklären, warum du nicht kommen kannst sondern anders Kontakt zu im suchst.
Das wichtigste ist, das du für ihn da bist und er das auch weis.
Ich kann Dich sehr gut verstehen. Ich war vor einigen Jahren wegen Suizidversuches aufgrund schwerer Depressionen auch in der Psychatrie. Eigentlich habe ich mich dort sehr gut aufgehoben gefühlt. Ein Ort, an dem ich meine Probleme einmal hinter mir lassen konnte und viele nette Menschen kennen gelernt habe. Man hat mir dort auch wirklich geholfen (das
Ärzte- und Pflegerteam waren einfach Spitze) und heute geht es mir sehr gut.
Trotzdem habe ich jetzt einen Horror vor dieser Einrichtung. Von den fünf Menschen, die ich dort am liebsten hatte sind zwei durch eigene Hand verstorben, einer ist aufgrund eines Selbstmordversuches (in der Klinik) schwerstbehindert, einer ein schwerer Alkoholiker geworden und der letzt auf nimmer wiedersehen verschwunden. Keiner weiß, was aus ihm geworden ist.
Die Vorstellung, dorthin zurückzugehen (und sei es als Besucher) ist einfach grauenvoll. Ich weiß, das dort vielen Menschen wirklich geholfen werden kann. Aber ich muss immer an die denken, die es nicht schaffen. Jeder, der mir dort über den Weg läuft, ist für mich zum potenziellen Todeskandidaten geworden und damit kann ich nicht umgehen.
Ich würde es aber trotzdem tun, wenn ein mir lieber Mensch dort wäre. Ich weiß, wie wichtig diese Unterstützung für den Betroffenen sein kann.
Falls dieses Thema für dich noch aktuell ist, versuch es doch einfach. Wenn es hilfreich ist, kannst du ja noch jemanden mitnehmen, der dich ein wenig unterstützt. Vielleicht ist es gerade deine Anwesenheit, die deinem Bruder helfen kann, zurück ins Gleichgewicht zu kommen. Viele Patienten durften bei uns die Station verlassen. Wenn Dein Bruder das auch darf, musst Du ja nicht mit ihm in der Klinik bleiben.
Aber wenn du es nicht kannst, ist es auch in Ordnung (du solltest es aber wenigstens versuchen). Dann kannst du deinen Bruder ja anders unterstützen. Telefonier mit ihm oder schreib ihm öfter einen Brief. Das wichtigste ist, das du ihm mitteilst, das er dir wichtig ist und das du zu ihm stehst. Du solltest ihm auch erklären, warum du nicht kommen kannst sondern anders Kontakt zu im suchst.
Das wichtigste ist, das du für ihn da bist und er das auch weis.
Hallo Claus,
es ist jetzt leider schon eine Weile her, dass ich dir endlich antworte.
Ich wollte aber den Thread nicht so ganz sterben lassen und einfach verschwinden.
Ich bin in den letzten Wochen in Arbeit versunken und kam zu kaum etwas anderem. Ganz hat mich das Thema aber nicht losgelassen, und ich habe mich gefragt, inwieweit ich überhaupt noch Lust und Energie zu einer Auseinandersetzung habe. Zu folgendem Schluss bin ich gekommen:
Mit [u]dir[/u] über Missstände im besonderen und allgemeinen in der Psychiatrie/psychiatrische oder psychosomatische Kliniken zu diskutieren, dazu habe ich keinen Antrieb. Das geht nicht persönlich gegen dich, ich habe nur desöfteren in der Vergangenheit solche Diskussionen geführt, nach meiner Erfahrung hat das nichts gebracht, mir selbst am wenigsten. Wie gesagt, ich glaube dir auch gerne deine aufrichtige Motivation.
Zu deiner Frage der Bevormundung habe ich eigentlich schon etwas geschrieben. Wenn Leuten gesagt wird, die keine richtig schwere psychische Erkrankung haben wie z.B. eine Psychose oder Magersucht, sondern "nur" eine Krise, was auch immer, dann empfinde ich es im höchsten Maße als Bevormundung, wenn ihnen dann gesagt wird, nur das "Klapsmühlenteam" wüßte, was gut für sie ist. Wie soll es dann überhaupt weiter gehen bzw. wie stellen sich solche Ärzte/Pfleger denn dann eine Gesundung vor??
Also wie gesagt, meine Meinung dazu ist, dass jeder Mensch den Schlüssel zur Heilung in sich trägt und Therapeuten bestenfalls ein Anstoß sein können oder eine Hilfe, den zu finden. Meistens ist aber gerade in solchen Kliniken das - Weltbild könnte man schon fast sagen - genau umgekehrt.
Ich gebe dir insoweit recht, wenn es sich um richtig schwere Krankheiten handelt wie Schizophrenie, Magersucht oder auch akute Selbstmordgefahr, dass dann solche Leute zunächst einmal vor sich selber geschützt werden müssen.
Also, ich habe noch nicht einmal etwas gegen geschlossene Einrichtungen an sich! Wollte ich klipp und klar gesagt haben.
Vielleicht ist meine Heimatstadt die riesengroße Ausnahme, aber ich kenne leider eine Menge Horrorgeschichten. Von einem Arzt z.B. im Psychiatrischen Krankenhaus, der sogar von Psychologiestudent/innen unter der Hand als Sadist bezeichnet wird. Ich teile diese Einschätzung! Ich habe ihn einmal in einem Vorgespräch kennengelernt und danach gleich wieder die Flucht ergriffen, zu meinem Glück.
Oder Geschichten von zwei Leuten, die sich im PKH mit dem Duschschlauch erhängt haben und noch einiges mehr.
Wie gesagt, ich bin auch gar nicht gegen Medikamente, ganz im Gegenteil!! Ich habe selbst im Rahmen eines Magisterstudiums Psychologie studiert und weiß sehr gut, was für eine schwere Krankheit Schizophrenie ist und unter welch unglaublichem Leidensdruck die Leute stehen.
Nur wenn die "Psychohämmer" den Patienten nichts von ihren Halluzinationen nehmen, wenn sie weiterhin ihre immensen irrationalen Schuldgefühle haben und weiterhin vermeintliche starke Schmerzen ohne jeglichen medzinisch-körperlichen Befund - wenn also das einzige Ergebnis ist, dass die Leute wie "Zombies" herumlaufen, wozu dann die starken Medikamte??
Einer meiner besten Freunde wurde schizophren, er hatte zwischendrin eine gesunde Phase und hat selber gesagt, dass ihm die Medikamente nicht das geringste gebracht haben außer dass er aufgegangen ist wie ein Pfannkuchen.
Es gab und gibt immer wieder mal kritische Reformerversucher der psychiatrischen Einrichtungen. Die u.a. gefordert haben, mit den Patienten selber die Medikamentisierung zu besprechen! Ein Wahnsinn ohnegleichen! Nicht nur beim heutigen Mangel an Pflegepersonal und Gesundheitsreform - wer hätte denn dafür noch die Zeit? Aber es steckt noch mehr hinter dem damaligen entrüsteten Aufschrei des Entsetzens, nämlich Entmündigung, siehe oben.
Schizophrenie kann übrigens geheilt werden, aber in aller Regel nicht hier in unseren Kliniken. Die Psychoanalytikerin Marguerie Sechehaye hat schon in den 60er Jahren Schizophrene geheilt!! Wenn du möchtest, kann ich dir dir das sehr gute Buch empfehlen "Tagebuch einer Schizophrenen", Suhrkamp Verlag, ISBN 3-5128-10613-4. Das Zauberwort hieß Privatklinik (in der Schweiz). Weiter kann ich dir die Bücher von Ronald D. Laing empfehlen (besonders "Das geteilte Selbst" Verlag Kiepenheuer & Witsch). Er fordert, die hierarchische Position des "gesunden" Arztes gegenüber dem "kranken" Patienten aufzugeben und stellt fest, dass Schizophrene sich durchaus in einer verständlichen Sprache kommunizieren, allerdings in Symbolform, die aber durchaus entschlüsselt werden kann und soll. Geht natürlich nicht bei uns, schon gar nicht heutzutage: Personalmangel, Zeitmangel.
Und noch ein kritisches Buch zur Psychiatrie, was mir am meisten geholfen hat, als es mir noch Jahre nach meinem "Klapsmühlenaufenthalt" sehr schlecht ging: Heinar Kipphardt, Alexander März, rororo Verlag.
Ein schizophrener Dichter, der trotz seiner Krankheit durchschaut, dass ihm die Ärzte in der psychiatrischen Klinik nicht helfen können und seine Possen und Späße über sie macht, dabei unglaublich hellsichtig.
Ein junger, neuer Arzt versucht ihm zu helfen, scheitert aber letztlich an den verkrusteten Strukturen in der Psychiatrie. Sein Patient begeht Selbstmord.
Viele Grüße
Phoebe
es ist jetzt leider schon eine Weile her, dass ich dir endlich antworte.
Ich wollte aber den Thread nicht so ganz sterben lassen und einfach verschwinden.
Ich bin in den letzten Wochen in Arbeit versunken und kam zu kaum etwas anderem. Ganz hat mich das Thema aber nicht losgelassen, und ich habe mich gefragt, inwieweit ich überhaupt noch Lust und Energie zu einer Auseinandersetzung habe. Zu folgendem Schluss bin ich gekommen:
Mit [u]dir[/u] über Missstände im besonderen und allgemeinen in der Psychiatrie/psychiatrische oder psychosomatische Kliniken zu diskutieren, dazu habe ich keinen Antrieb. Das geht nicht persönlich gegen dich, ich habe nur desöfteren in der Vergangenheit solche Diskussionen geführt, nach meiner Erfahrung hat das nichts gebracht, mir selbst am wenigsten. Wie gesagt, ich glaube dir auch gerne deine aufrichtige Motivation.
Zu deiner Frage der Bevormundung habe ich eigentlich schon etwas geschrieben. Wenn Leuten gesagt wird, die keine richtig schwere psychische Erkrankung haben wie z.B. eine Psychose oder Magersucht, sondern "nur" eine Krise, was auch immer, dann empfinde ich es im höchsten Maße als Bevormundung, wenn ihnen dann gesagt wird, nur das "Klapsmühlenteam" wüßte, was gut für sie ist. Wie soll es dann überhaupt weiter gehen bzw. wie stellen sich solche Ärzte/Pfleger denn dann eine Gesundung vor??
Also wie gesagt, meine Meinung dazu ist, dass jeder Mensch den Schlüssel zur Heilung in sich trägt und Therapeuten bestenfalls ein Anstoß sein können oder eine Hilfe, den zu finden. Meistens ist aber gerade in solchen Kliniken das - Weltbild könnte man schon fast sagen - genau umgekehrt.
Ich gebe dir insoweit recht, wenn es sich um richtig schwere Krankheiten handelt wie Schizophrenie, Magersucht oder auch akute Selbstmordgefahr, dass dann solche Leute zunächst einmal vor sich selber geschützt werden müssen.
Also, ich habe noch nicht einmal etwas gegen geschlossene Einrichtungen an sich! Wollte ich klipp und klar gesagt haben.
Vielleicht ist meine Heimatstadt die riesengroße Ausnahme, aber ich kenne leider eine Menge Horrorgeschichten. Von einem Arzt z.B. im Psychiatrischen Krankenhaus, der sogar von Psychologiestudent/innen unter der Hand als Sadist bezeichnet wird. Ich teile diese Einschätzung! Ich habe ihn einmal in einem Vorgespräch kennengelernt und danach gleich wieder die Flucht ergriffen, zu meinem Glück.
Oder Geschichten von zwei Leuten, die sich im PKH mit dem Duschschlauch erhängt haben und noch einiges mehr.
Wie gesagt, ich bin auch gar nicht gegen Medikamente, ganz im Gegenteil!! Ich habe selbst im Rahmen eines Magisterstudiums Psychologie studiert und weiß sehr gut, was für eine schwere Krankheit Schizophrenie ist und unter welch unglaublichem Leidensdruck die Leute stehen.
Nur wenn die "Psychohämmer" den Patienten nichts von ihren Halluzinationen nehmen, wenn sie weiterhin ihre immensen irrationalen Schuldgefühle haben und weiterhin vermeintliche starke Schmerzen ohne jeglichen medzinisch-körperlichen Befund - wenn also das einzige Ergebnis ist, dass die Leute wie "Zombies" herumlaufen, wozu dann die starken Medikamte??
Einer meiner besten Freunde wurde schizophren, er hatte zwischendrin eine gesunde Phase und hat selber gesagt, dass ihm die Medikamente nicht das geringste gebracht haben außer dass er aufgegangen ist wie ein Pfannkuchen.
Es gab und gibt immer wieder mal kritische Reformerversucher der psychiatrischen Einrichtungen. Die u.a. gefordert haben, mit den Patienten selber die Medikamentisierung zu besprechen! Ein Wahnsinn ohnegleichen! Nicht nur beim heutigen Mangel an Pflegepersonal und Gesundheitsreform - wer hätte denn dafür noch die Zeit? Aber es steckt noch mehr hinter dem damaligen entrüsteten Aufschrei des Entsetzens, nämlich Entmündigung, siehe oben.
Schizophrenie kann übrigens geheilt werden, aber in aller Regel nicht hier in unseren Kliniken. Die Psychoanalytikerin Marguerie Sechehaye hat schon in den 60er Jahren Schizophrene geheilt!! Wenn du möchtest, kann ich dir dir das sehr gute Buch empfehlen "Tagebuch einer Schizophrenen", Suhrkamp Verlag, ISBN 3-5128-10613-4. Das Zauberwort hieß Privatklinik (in der Schweiz). Weiter kann ich dir die Bücher von Ronald D. Laing empfehlen (besonders "Das geteilte Selbst" Verlag Kiepenheuer & Witsch). Er fordert, die hierarchische Position des "gesunden" Arztes gegenüber dem "kranken" Patienten aufzugeben und stellt fest, dass Schizophrene sich durchaus in einer verständlichen Sprache kommunizieren, allerdings in Symbolform, die aber durchaus entschlüsselt werden kann und soll. Geht natürlich nicht bei uns, schon gar nicht heutzutage: Personalmangel, Zeitmangel.
Und noch ein kritisches Buch zur Psychiatrie, was mir am meisten geholfen hat, als es mir noch Jahre nach meinem "Klapsmühlenaufenthalt" sehr schlecht ging: Heinar Kipphardt, Alexander März, rororo Verlag.
Ein schizophrener Dichter, der trotz seiner Krankheit durchschaut, dass ihm die Ärzte in der psychiatrischen Klinik nicht helfen können und seine Possen und Späße über sie macht, dabei unglaublich hellsichtig.
Ein junger, neuer Arzt versucht ihm zu helfen, scheitert aber letztlich an den verkrusteten Strukturen in der Psychiatrie. Sein Patient begeht Selbstmord.
Viele Grüße
Phoebe
Zuletzt geändert von Phoebe am 17.11.2007, 16:50, insgesamt 1-mal geändert.
- Sonnenlicht
- Reiki-Fackel
- Beiträge: 319
- Registriert: 08.11.2004, 00:14
- Wohnort: Wesselburen
Ich war noch nie drin, schließe es aber für die Zukunft nicht aus. Es gibt seelische Tiefschläge, wo ich mir sage "Soll ich oder soll ich nicht zum Psychiater gehen?"
Bisher habe ich mich aber immer wieder selbst aus dem Schlamassel ziehen können bzw. habe die Hilfe von Freunden angenommen, die mir Denkanstöße gaben, damit ich wieder den richtigen Weg finde. Momentan mache ich auch wieder so eine schwere Phase durch. Aber mein Partner ist mir dabei eine große Stütze.
Ich habe mal eine Begebenheit erlebt, die ich so bemerkenswert fand, dass ich sie mir damals aufgeschrieben habe. Hier ist die Geschichte:
Gestern stand ich in einer langen Schlange am Postschalter und beobachtete die Leute zum Zeitvertreib.
Dicke und Dünne, Menschen mit Brille und ohne, verschieden gekleidet. Jeder hatte hier etwas zu erledigen, hatte ein Päckchen, Brief oä in der Hand.
Da entdeckte ich vor mir eine Frau mit Down - Syndrom, ein Päckchen unter dem Arm, in die Runde blickend und wie alle anderen auch wartend darauf, endlich abgefertigt zu werden.
Als sie dran war, sagte sie, dass sie das Päckchen abgeben soll.
Die Dame hinter dem Schalter nahm der Frau das Päckchen ab, reichte ihr einen Zettel und sagte "Auf Wiedersehen".
Es kam kein Gruß zurück. Statt dessen riss die Frau die Arme in die Höhe, wedelte mit dem Zettel, strahlte wie ein Sieger und sagte laut voller Leidenschaft "JA!".
Diese Frau erweckte in mir das Gefühl, als sei sie nach monatelangem Training stolze Siegerin eines 1000-m-Laufs geworden.
Und ich frage mich:
- Warum können wir "geistig Gesunden" uns nur schwer an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen?
Wir sind ständig auf der Jagd nach Ruhm, Geld, materiellen Dingen und vergessen, wie wertvoll es ist, zu leben und gesund zu sein.
Die Frau mit dem Down - Syndrom war so stolz darauf, dass man ihr eine Verantwortung übertragen hat. Sie freute sich riesig, weil sie die ihr übertragene Aufgabe erledigt hat.
Diese Begegnung war für mich ein Erlebnis, das mich beeindruckt und zum Nachdenken angeregt hat.
Egal, ob gesund, krank, reich, arm, gebildet, lernbehindert...wir sind alle Menschen und sollten ab und zu daran denken, wie schön es ist, zu leben.
Liebe Grüße
Sonnenlicht
Bisher habe ich mich aber immer wieder selbst aus dem Schlamassel ziehen können bzw. habe die Hilfe von Freunden angenommen, die mir Denkanstöße gaben, damit ich wieder den richtigen Weg finde. Momentan mache ich auch wieder so eine schwere Phase durch. Aber mein Partner ist mir dabei eine große Stütze.
Ich habe mal eine Begebenheit erlebt, die ich so bemerkenswert fand, dass ich sie mir damals aufgeschrieben habe. Hier ist die Geschichte:
Gestern stand ich in einer langen Schlange am Postschalter und beobachtete die Leute zum Zeitvertreib.
Dicke und Dünne, Menschen mit Brille und ohne, verschieden gekleidet. Jeder hatte hier etwas zu erledigen, hatte ein Päckchen, Brief oä in der Hand.
Da entdeckte ich vor mir eine Frau mit Down - Syndrom, ein Päckchen unter dem Arm, in die Runde blickend und wie alle anderen auch wartend darauf, endlich abgefertigt zu werden.
Als sie dran war, sagte sie, dass sie das Päckchen abgeben soll.
Die Dame hinter dem Schalter nahm der Frau das Päckchen ab, reichte ihr einen Zettel und sagte "Auf Wiedersehen".
Es kam kein Gruß zurück. Statt dessen riss die Frau die Arme in die Höhe, wedelte mit dem Zettel, strahlte wie ein Sieger und sagte laut voller Leidenschaft "JA!".
Diese Frau erweckte in mir das Gefühl, als sei sie nach monatelangem Training stolze Siegerin eines 1000-m-Laufs geworden.
Und ich frage mich:
- Warum können wir "geistig Gesunden" uns nur schwer an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen?
Wir sind ständig auf der Jagd nach Ruhm, Geld, materiellen Dingen und vergessen, wie wertvoll es ist, zu leben und gesund zu sein.
Die Frau mit dem Down - Syndrom war so stolz darauf, dass man ihr eine Verantwortung übertragen hat. Sie freute sich riesig, weil sie die ihr übertragene Aufgabe erledigt hat.
Diese Begegnung war für mich ein Erlebnis, das mich beeindruckt und zum Nachdenken angeregt hat.
Egal, ob gesund, krank, reich, arm, gebildet, lernbehindert...wir sind alle Menschen und sollten ab und zu daran denken, wie schön es ist, zu leben.
Liebe Grüße
Sonnenlicht