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Wer war mal in der Psychatrie?
Verfasst: 05.10.2004, 18:30
von Kobold2
Hallo liebe Leute,
da dieses Thema in unserer Familie gerade aktuell ist, möchte ich euch mal fragen, wer von euch mal in der Psychatrie war ?.
Also ich war einmal vor 6 Jahren als Patient drin.
Wenn ihr euch nicht outen wollt, könnt ihr ja einfach nur eine Stimme abgeben.
Ich würde mich auch dafür interessieren, wie ihr als Angehörige damit umgegangen seit, wenn ein Freund oder ein Familienangehöriger dort war, hattet ihr Angst dorthin zu gehen, habt ihr den Menschen, der dort war weiterhin unterstützt oder seit ihr dem aus dem Weg gegangen ?.
lieben Gruß, Roland
drinn war ich nicht
Verfasst: 05.10.2004, 18:47
von BientjeSH
Hm, also ich war mal kurz davor. Ich hab mich vorsichtshalber mal informiert, wie das funktioniert mit dem "selbst einweisen". Ich war damals (auch etwa 5-6 Jahre her) sehr in Not.
Dass ich dann wußte, wie das geht und dass ich da einfach hingehen kann, hat mir schlußendlich geholfen.... Es gehörte damals zu meinem Sicherheitsnetz - für den Fall der Fälle. Bewußt und offen damit umgehen - gaaaaaaaaaaaaaanz wichtig.
Drinn war ich nicht.
Gruß, Sabine
Verfasst: 05.10.2004, 18:54
von Kobold2
hi Sabine,
ich bin damals freiwillig hingegangen, weil ich mir selbst nicht mehr zu helfen wusste. Mein Bruder ist zur Zeit in der Psychatrie und ich habe Angst dorthin zu gehen, weil sehr viele schreckliche Erinnerungen damit verknüpft sind. Irgendwie wäre es aber auch gut, wenn ich mich dieser Angst stellen würde.
Ich habe eigendlich nie mit jemanden darüber geredet.
lieben Gruß, Roland
Verfasst: 05.10.2004, 19:17
von Ameise
Ich persönlich denke, es istschon wichtig "sich der Vergangenheit zu stellen". Du könntest mit positiver Imagination das Ergebnis positiv beleuchten, zum Beiospiel auch mit Affirmationen, wie "das liegt jetzt alles hinter mir".
Verfasst: 05.10.2004, 19:33
von Kattugla
Als Patientin war ich nicht da, habe aber im Klinikpraktikum auf der Geschlossenen gearbeitet und in der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Wenn ich ehrlich sein soll, haben mir die sechs Wochen dort eine Heidenangst eingejagt - vieles war doch sehr nah an mir dran - sprich die Grenze von schräg drauf zu wirklich einweisungspflichtig erscheint mir mittlerweile ziemlich fließend. Vieles hat mich furchtbar wütend gemacht, mich aber gleichzeitig ziemlich unsanft auf meine eigenen Schattenthemen gestupst.
Am meisten brachte mich wohl der Eindruck auf, daß liebenswerte schräge Vögel schlicht "gleichgeschaltet" - quasi rundgehobelt werden sollten, damit sie in der Gesellschaft wieder "funktionieren" ohne aufzufallen.
Den meisten Haß (und das war wirklich Haß damals, obwohl ich mit den Leuten zusammenarbeiten mußte) hatte ich auf das Personal - also Ärzte/ Ärztinnen und Schwestern. Von den Patienten hätte ich jeden einzelnen umarmen und rausschleppen mögen.
Heute weiß ich, daß manche dort wirklich am besten aufgehoben waren.
In der K+J hatte ich in erster Linie mit magersüchtigen Mädchen zu tun - von denen hatte sich ein Gutteil "selber eingewiesen" - andere landeten dort nach dreiwöchiger klinischer Noternährung.
Ich hab noch heute ein sehr ambivalentes Verhältnis dazu, auch weil ich mittlerweile Leute kennengelernt habe, denen zum Beispiel nach einer drogeninduzierten Psychose keine andere Wahl mehr als die Geschlossene blieb. Angst jagt mir die Vorstellung, dort evtl. nochmal arbeiten zu müssen, aber immer noch ein. Ich hab versucht herauszubekommen, wovor ich denn eigentlich Angst habe. Und die hat zu einem Gutteil mit Themen wie Kontrollverlust und Entpersonalisierung zu tun. Meine Schatten eben, die da nett grüßen.
Sowas läßt sich aber wunderbar und sehr sanft mit Reiki bearbeiten. Also die Angst meine ich jetzt. Vielleicht magst Du danach nochmal neu entscheiden?
liebe Grüße
Kattugla
Verfasst: 05.10.2004, 19:47
von Lomarys
hallo kobold,
vor vielen jahren war eine damalige freundin von mir über viele wochen dort stationär.
ich habe sie regelmässig besucht, leichtgefallen ist mir das nicht, weil ich die situation dort auch recht beklemmend fand.
allerdings war sie sehr glücklich über jeden besuch, und das zählte für mich.
nun, deine ausgangssituation ist jedoch eine völlig andere.........und ich denke, nur du selbst kannst entscheiden, ob du dem, was dich dort erwartet, für dich und im bezug auf deinen bruder, gewachsen bist!
ich wünsch dir, dass du eine entscheidung treffen kannst, die für dich in ordnung ist!
ganz liebe grüsse
momo
Verfasst: 05.10.2004, 19:59
von Kobold2
hi Kattugla,
ich muß auch sagen, das viele Leute in der Psychatrie "normaler" und liebevoller sind als manche Menschen die "draußen" herumlaufen. Es gab dort sehr viele sensible Leute, die einfach wegen ihrer Sensibilität dort landeten.
Es ist auch schade, das für Angehörige in der Richtung nicht viel getan wird, das diese doch ziemlich alleine da stehen.
Danke Momo, ich werde ersteinmal noch eine Nacht darüber schlafen, mein Herz sagt mir momentan, es wäre auch für mich gut noch einmal dorthin zu gehen und meinem Bruder zu besuchen.
lieben Gruß, Roland
Verfasst: 05.10.2004, 20:10
von Kobold2
Hallo Alrik,
vielleicht liegt genau darin die Aufgabe, als Angehöriger damit umgehen zu lernen und nicht davor zu flüchten, wie ich es getan habe. Ich denke es geht vielen Menschen so wie mir, die einfach auch nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen wenn ein Angehöriger in einer solchen Situation ist.
Weiß vielleicht wer ein gutes Buch zu dem Thema?
lieben Gruß, Roland
Verfasst: 05.10.2004, 20:21
von Rica
Hallo Kobi,
leider musst du das ganz allein entscheiden. Aber vielleicht kannst du vorher die Situation ganz genau durchdenken, was wäre wenn..., also was du jetzt glaubst, was mit dir passiert, wenn du z.B.
... durch die Tür der Psychatrie kommst und dich an damals erinnerst,
... ob du Ängste spürst, was hochkommen könnte,
... ob du befürchtest, abzudrehen,
... ob du weißt/ahnst, dass das Thema von damals, weshalb du dort drin warst, noch nicht abgearbeitet ist,
... ob du befürchtest, deinem Bruder nicht gewachsen zu sein,
u.s.w.... das sind nur spontane Anregungen von mir.
Wenn du solche Fragen gefestigt beantworten kannst, fällt dir sicher die Entscheidung, was du tun sollst, leichter.
Oft ist es ja so, dass man eine angstbehaftete Situation vor sich hat, aber man traut sich nicht, das zu Ende zu denken und heraus zu finden, WAS diese Angst eigentlich ausmacht, bedeutet, wie man sie zu fassen kriegt.
Ich wünsche dir sehr, dass du jemanden zum Reden hast, um für dich eine Lösung zu finden, mit der du zur Ruhe kommen kannst.
Alles Liebe,
Rica
PS: Mich beschäftigt dein Thema innerlich, weil ich grade auf Arbeit im Pflegeheim die Situation habe, dass eine stark demente Frau mich tätlich angegriffen hat und ich jetzt täglich mein Herzklopfen spüre, wenn ich sie schon von weitem sehe, weil ich merke, dass ich ANGST vor ihr habe...
Ich wappne mich mental, es hilft auch, aber wird noch dauern, bis ich wieder ganz "Herr der Lage" sein werde...
der Weg der kleinen, feigen Schritte
Verfasst: 05.10.2004, 23:01
von BientjeSH
Hi Roland,
ein guter Lehrer von mir hat mal gesagt, dass es in uns einen Pfeil gibt, der die Richtung anzeigt, in die wir gehen sollten um die nächsten Schritte zu machen. Und dieser Pfeil zeigt immer direkt auf die Angst. Da gehts lang.
Mir hat dieser Hinweis schon oft geholfen. Und dann nicht durch die Angst durchpowern, sondern kleine - und manchmal feige - Schritte machen.
Und feige heißt dabei nur, ist schon ok, dabei ein bißchen Schiss zu haben.
Aus meiner Erfahrung kann ich dir nur sagen: mach nur, was du für den Moment bewältigen kannst. Was das ist, kannst und mußt du jeden Moment neu entscheiden.
Ich habe letztens in einer kleinen Straße eine Frau getroffen, die ganz offensichtlich ver-rückt war. Ich hab ne riesen Angst gekriegt, war fast panisch. Dabei hat die mir gar nichts getan. So im Nachhinein hab ich gemerkt, dass sie eine meiner tiefsten Ängste berührt hat, nämlich eines Tages auch nicht mehr in diese Welt zu passen... naja, so ähnlich. Hat mir echt zu denken gegeben. Ich glaub an dem Thema hab ich noch einiges zu lernen...
schönen Abend! Sabine
Verfasst: 05.10.2004, 23:28
von Husky
Hi Kobold,
Mein letzter Besuch in einer Psychiatrie liegt schon 11 Jahre zurück. Damals habe ich meinen Bruder besucht. Er war als Patient dort wegen "multipler Persönlichkeitsspaltung". So jedenfalls lautete die Diagnose des Arztes.
Damals war ich, bedingt durch meine Tätigkeit, nur unregelmäßig zu Hause und konnte ihn nicht so oft besuchen. Auf einer Seite war ich froh, das ich ihn nicht so oft gesehen hab, denn ich konnte mit seiner Krankheit nicht umgehen. Kurz, ich wußte nicht wie ich ihm helfen soll und kann.
Heute denke ich oft an die schöne Zeit zurück, die ich mit ihm vor seiner Krankheit verbracht habe. Und heute wüßte ich auch, was ich für ihn tun könnte. Nähmlich, ihn nicht allein mit seiner Krankheit zu lassen. Ihm Mut zu zusprechen und ihn an schlechten Tagen aufzubauen. Und natürlich eine gehörige Portion Reiki zu verabreichen.
Leider ist es dafür nun zu spät...er starb vor 9 Jahren.
Pass du auf deinen Bruder auf und gib ihm das Gefühl, daß er nicht allein ist in dieser Einrichtung.
Lieben Gruß
Uwe
Verfasst: 05.10.2004, 23:47
von Gast
Hallo Kobi,
im Prinzip hätte ich zwei Stimmen abgeben müssen. Ich kenne die Psychiatrie sowohl als Patient als auch als Praktikant. Ich war eine kurze Zeit auf Station und eine längere Zeit in einer Tagesklinik als Praktikantin. Außerdem für 2 Tage selbst als Patientin.
Als Patient wie auch Praktikant habe ich relativ gute Erfahrungen gemacht. Wobei ich als Patient natürlich nicht viel sagen kann. In zwei Tagen passiert nicht viel. Ich hab mich damals selbst entlassen und bin zu meiner Familie gegangen. Ich wollte auf gar keinen Fall in der Psychiatrie bleiben. Nicht, weil es dort schrecklich war... mir war das einfach nur zu viel und die Aussicht, zu meiner Familie zu können, war weitaus beruhigender. Für mich war das die richtige Entscheidung. Meiner Familie ein großes Dankeschön. Das war mutig und anstrengend für sie.
Ich weiß von meiner Familie und meiner Freundin, dass sie Angst hatten in die Psychiatrie zu gehen, weil sie nicht wußten, was mit mir war und wie sie damit umgehen sollten. Es war für alle Beteiligten schwierig. Als Patient war es für mich enorm wichtig, dass sie mir Rückhalt gaben, zumal mir das die ersehnte Normalität zurückgebracht hat. Anfangs war das wie der sprichwörtliche Strohhalm.
Es gibt - natürlich- auch in der Psychiatrie Mißstände. Das Umherwerfen mit Medikamenten und Diagnosen und Stigmatisierung gehört scheinbar dazu. ABER: Psychiatrie ist - wie jede Heilbehandlung -, richtig angewandt und verstanden, eine Unterstützung. Es steht und fällt - wie so oft - mit den Menschen (sowie Patienten), deren Fachkenntnissen, Engagement, Zeit und Einstellung, wie gut oder schlecht eine Abteilung, eine Behandlung, ein Aufenthalt ist. In diesem Sinne ist es sicher gut, wenn von außen (als Nicht-Patient) die Möglichkeit besteht, die Güte der Behandlung zu prüfen.
Letztlich mußt Du für Dich entscheiden, ob Du Dich jetzt nochmal mit der Psychiatrie auseinandersetzen kannst. D.h. ggf. : Ausprobieren. Fühl einfach in Dich hinein und entscheide dann, was Du tun kannst. Und die nächste Frage wäre, was Dein Bruder braucht.
Du könntest auf diese Situation Reiki geben.
LG StilleWasser
- die jetzt oft genug hier herumgebessert hat
Verfasst: 06.10.2004, 02:23
von Kobold2
hi Sabine,
das mit dem Pfeil und der Angst finde ich gut.
Ich kann Dich gut verstehen ich habe auch noch kein passendes Rezept gefunden mit Menschen in solchen Verfassungen umzugehen.
Es ist ganz hilfreich sich klar zu machen, das jeder Mensch für sich selbst verantwortlich ist, auch für die art und weise wie er mit seiner Situation, mit den Dingen in der Welt und dem was ihm umgibt umgeht.
Wenn Du Dich fürchtest weil sich ein anderer fürchtet ist damit weder Dir noch dem anderen geholfen.
Wir lassen uns leicht von den Ängsten und den Emotionen anderer anstecken. Bei einem herzlichen Lachen, lachen wir gerne mit, auf der Gegenseite ist da aber auch die Angst und Verwirrung anderer Menschen.
Wir möchten den anderen verstehen, ihm helfen und werden dabei oft mit unseren eigenen Ängsten konfrontiert. Ängste und Probleme die wir eigendlich gar nicht haben aber die durch den anderen ausgelößt wurden.
Wenn jemand einen gebrochenen Arm hat, fällt es uns leicht zu sagen "ok, dieser Mensch hat einen gebrochenen Arm, mein Arm ist aber heile".
Bei der Psyche sieht das schon etwas anders aus, da können wir nicht so leicht Abstand nehmen und sagen "ok, da ist eben was kaputt, Gips drum und bald geht es wieder"
Also bei mir ist es dann so, das ich auch versuche eine Lösung für den anderen zu finden, leider ist es dabei mit einem Gips nicht immer getan. Es gibt soviele Krankheiten wofür man einfach keine Lösung parat hat, das macht Angst. Man kann sich nicht vorallem absichern, man kann nur lernen trotz der Unsicherheiten zu vertrauen.
Das ist auch das, was man anderen, kranken Menschen mitgeben kann, ein Stück dieses Vertrauens.
Ich bin schon soviele Tode gestorben wobei ich mich frage, wovor ich eigendlich Angst habe?
Ein Benediktiner Mönch sagte mal "wer stirbt bevor er stirbt, stirbt nicht, wenn er stirbt". Dem kann ich nur zustimmen, es waren schon einige Tode die ich in diesem Leben gestorben bin aber irgendwie bin ich doch noch da.
lieben Gruß, Roland
Verfasst: 06.10.2004, 09:06
von Sachit
Hi Kobi,
quassel nicht so viel rum, und geh deinen Bruder besuchen.
Du hast doch nichts an der Klatsche oder? Nimm ihn in den Arm, steh zu ihm, zeig ihm das du da bist .
Er braucht deinen halt - einen starken Bruder der handelt - keinen der sich nur Gedanken "macht" - sonst könnt ihr euch bald das Zimmer teilen.
Denke das es bei euch noch einiges aufzuräumen gibt - vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt? Denk nicht nur - tu was!
Sachit
Verfasst: 06.10.2004, 09:52
von Gast
Ich hab die Erfahrung gemacht, dass sich Menschen bedroht und verunsichert fühlen, sobald eine Erkrankung ihren Erfahrungshorizont verläßt bzw. es eine komplexe Erkrankung ist. Das kann eine chronische Erkrankung, eine tödliche Erkrankung, eine Erkrankung mit schwerwiegenden Folgen oder eben eine psychische Erkrankung sein. Psychische Erkrankungen haben den Nachteil, dass sie immer noch als Pseudoerkrankungen abgetan werden, bei denen man durch blosse "Willensanstrengung" schon dort raus käme. Oder aber die Erkrankung wird als so schwerwiegend abgetan, dass da eh nur noch "Wegsperren" hilft. Beides ist lediglich eine Spiegelung eigener Ängste und weniger der status quo.
Für den Umgang mit psychisch kranken Menschen gilt: sie brauchen das gleiche wie gesunde Menschen, nur besser dosiert: Geduld, Mitgefühl, Akzeptanz, Toleranz, Zuwendung etc. Dh. auch, wir sollten dem Menschen gegenüber erst einmal richtig zuhören und feststellen wo SEINE (und nicht meine) Bedürfnisse sind. Für den einen mögen hoffnungsbringende Worte und zukunftssteuernde Aussichten richtig sein, aber nicht selten geht es v.a. erst einmal darum, den Menschen voll anzunehmen, so wie er jetzt ist, den jetzigen Zustand also nicht zu überspringen, als sei er nur kurz oder gar nicht da.
Die eigentlich interessante Frage lautet doch, warum wir Angst vor kranken Menschen haben. Du kannst nicht offen sein, wenn Du damit beschäftigt bist, Dich selbst zu schützen. Vor etwas zu schützen, dass Dich nicht angreift und Dir auch nicht wirklich schaden kann sondern höchstens mehr Menschlichkeit bringt. Vorausgesetzt Du siehst den anderen als den anderen an. Und dabei geht es nicht allein darum, zu erkennen, dass jeder seine eigene Verantwortung trägt.
Was das Sterben im Leben angeht. Phönix aus der Asche ist dafür ein passendes Bild.
Bezogen auf die Psychiatrie - frag Dich mal, was Dir wirklich Angst macht und wie realistisch das ist.
LG StilleWasser
Verfasst: 06.10.2004, 12:01
von Ameise
Ich stimme hier sowohl Sachit als auch dem stillen Wasser zu.
Du hast mehreres davon, Kobi :
1. Du kannst dich angstfrei deiner Vergangenheit stellen (schließlich bist du ja nur Besucher),
2. Du kannst deinem Bruder helfen.
Nur eines erscheint mir wichtig : Falls du Empath bist oder so, solltest du lernen, dich irgendwie zu schützen, solange du da bist, ausgenommen deinem Bruder vielleicht, denn er ist ein Verwandter und braucht dich.
Verfasst: 06.10.2004, 12:36
von Dai
Alrik die Ameise hat geschrieben:Nur eines erscheint mir wichtig : Falls du Empath bist oder so, solltest du lernen, dich irgendwie zu schützen, solange du da bist, ausgenommen deinem Bruder vielleicht, denn er ist ein Verwandter und braucht dich.
Was ist ein Empath
Verfasst: 06.10.2004, 12:38
von hope
Hallo Kobold,
meine jüngere Tochter hatte sich Anfang diesen Jahres selbst in eine Klinik eingewiesen, da sie Depressionen hatte,sich die Arme aufritzte und stark Suizidgefährdet war. Trotz all meiner Bemühungen war ich als Mutter wohl zu nah dran und konnte ihr leider nicht helfen. Die Selbsteinweisung in die Klink war die beste Entscheidung die mein Kind treffen konnte.
Ich war sowohl bei der Einweisung dabei und habe sie auch durch die gesamte Zeit des Klinikaufenthaltes begleitet. Meine Vorstellung von Psychiatrie sind durch die Erfahrungen mit dieser Klinik komplett widerlegt worden. Sowohl Ärzte wie auch Personal waren einfach super. Meine Tochter wurde sehr liebevoll aufgenommen und behandelt. Schon nach der ersten Behandlungswoche habe ich die positiven Veränderungen an meinem Kind gesehen. Als sie nach 6 Wochen entlassen wurde, sah sie rundum gesund aus, war stabilisiert und hatte auch wieder Ziele.
Wenn ich Hilfe in dieser Richtung bräuchte, würde ich sofort freiwillig in dieselbe Klinik gehen.
Verfasst: 06.10.2004, 13:42
von Ameise
Ich war Mitte der 80er Jahre auch ziemlich depressiv ... ich hatte mal angedacht, wie es wohl wäre, mich selbst in eine Klinik zu begeben, habe das aber fallen gelassen.
Heute würde ich sagen : Ich bin blind gewesen, daß ich diese Möglichkeiten nicht ausgeschöpft habe.
Nun ja, ich habe überlebt, und das alleine zählt.
Ein Empath ist jemand, der sich in Menschen einfühlen kann ... so was ähnliches wie Sympathie.
Ich sehe ganz einfach das Problem, daß Kobold womöglich Gefühle, Dinge übernimmt, wenn er sich nicht genügend selbst schützt.
Verfasst: 06.10.2004, 17:39
von Kobold2
hi Alrik,
das war auch der Grund warum ich es Zuhause nicht mehr ausgehalten habe mit meinem Bruder. Irgendwie fehlt mir da die Abgrenzung, wo ich sagen kann ok, der Mensch hat eben dieses Problem, damit habe ich aber nichts zutun, es ist seine Sache.
Was ich früher nicht ganz so stark bemerkt habe, wie die Aura eines Menschen kommt mir heute so vor, als würde ich regelrecht davon überschwemmt. Ich habe Angst mich dem anderen zu öffnen, mich auf das, was ich da fühle einzulassen.
Vielleicht liegt es daran, das ich die Nähe zu Menschen nie so gekannt habe und mich deshalb so unwohl fühle dabei.
Was mir wohl schon bewusst ist, ist das dies Kindheitsprägungen sind, ich kann mich nicht erinnern mal in den Arm genommen worden zu sein, ja und mein Vater hat regelrechte Ängste im Umgang mit anderen Menschen, da spüre ich seine Nervosität, manchmal denke ich, das ist regelrechte Panik. Er spielt nach außen hin etwas aber innerlich möchte am liebsten davonlaufen.
Genauso geht es mir auch, nach außen tue ich vielleicht ruhig und cool, innerlich möchte ich aber davonlaufen. Es gibt nur sehr wenige Menschen in deren Gegenwart ich mich wirklich wohl und angenommen fühle. Die meisten Menschen sind voller Angst, Sorgen, Mißtrauen, Wut und Unsicherheit, so deutlich wie heute war mir das noch nie.
Die Worte eines Menschen sagen etwas anderes als die Wahrheit. Ich habe gelernt in den Menschen hineinzublicken und mich weniger nach dem zu richten was dieser Mensch sagt. Das ist manchmal sehr traurig und beängstigend, weil man weiß, das es doch eigendlich anders sein kann, das wir authentischer und wahrer zueinander sein könnten.
Es gibt Momente, wo ich denke, jedes Wort ist schon ein Wort zuviel, weil das Wort nicht der Wahrheit entspricht, nicht das ist was der Mensch in seinem innersten Wesen her ist.
lieben Gruß, Roland
@Roland
Verfasst: 07.10.2004, 15:29
von Reje
Hi, Roland
Und genau da liegt der Fehler . Unsere Gesellschaft ist mittlerweile so das einem gefühle als schwäche ausgelegt werden , die man hat anstatt sie zuzulassn ......
Ruf mich mal an
Ich könnte Dir mehr dazu sagn .......
Carry
Verfasst: 07.10.2004, 17:50
von Urs
Kattugla hat geschrieben:
...Den meisten Haß (und das war wirklich Haß damals, obwohl ich mit den Leuten zusammenarbeiten mußte) hatte ich auf das Personal - also Ärzte/ Ärztinnen und Schwestern. Von den Patienten hätte ich jeden einzelnen umarmen und rausschleppen mögen.
Heute weiß ich, daß manche dort wirklich am besten aufgehoben waren...
Hallo Kattugla.
Ich beiße nicht, obwohl ich als Pfleger in der Psychiatrie arbeite. Ich kann deine Gefühle aber verstehen...
Manchmal ist es für mich auch ein frustrierender Job, besonderst weil ich weis das manche Dinge von aussen nicht verstanden werden. Ich persönlich, und die Kollegen die ich kenne, handeln aber nach bestem Wissen und Gewissen, und ob man es nun glaubt oder nicht, im Sinne des Patienten.
@Kobold
Dir möchte ich eigentlich einen Teil deiner Angst nehmen, denn es besteht die Möglichkeit, daß du die Psychiatrie als Besucher ganz anderst erlebst, als damals als Patient.
Ausserdem finde ich Verwandtenbesuche für die Heilung sehr förderlich.
Dein Beispiel mit dem Gipsarm , verwende ich auch oft, aber genau anderstherum. Ich frage dann :"Was würde sie abhalten ihren Verwandten zu Besuchen , wenn er sich das Bein gebrochen hat ?" Schätzungsweise wenig.
Wenn es von deiner Seite Fragen zum Verhalten des Personals gibt, stehe ich dir gerne zur Verfügung.
Alles Liebe
Claus
P.S.: Um die Quintessenz meiner Aussage noch etwas zu unterstreichen, eine kleine Metapher
Der König und der Hofnarr
Ein König brauchte einen neuen Minister. Um einen geeigneten Bewerber für das wichtige Amt zu finden, beschloß er die Kandidaten vorher zu prüfen. Er ließ seine Schatzkammer, in der unermeßliche Reichtümer verwahrt wurden, mit einer mächtigen Tür und einem komplizierten Schloß ausstatten. Derjenige der es schaffen würde die Tür zu öffnen solle das Amt bekommen. Damit würde er auch die Schlüssel zur Schatzkammer erhalten und des Königs Reichtümer verwalten. Alle klugen, weisen und gelehrten Männer des Landes bewarben sich und machten sich auf den Weg in die Hauptstadt.
Es kamen Politiker, Philosophen, Gelehrte und Theologen. Einige sahen schon von weitem, wie kompliziert das Schloß war und gaben gleich auf. Andere traten ganz dicht heran und untersuchten den Mechanismus des Schloßes und gaben letztendlich auch auf. Wieder andere versuchten das Schloß mittels intensiver Konzentration und bekannten Zaubersprüchen zu öffnen, jedoch niemand hatte Erfolg. Als alle gegangen waren, kam der Hofnarr und fragte, ob er es auch versuchen dürfe und der König sagte, ja. Der Hofnarr drückte sich einfach mit ganzer Kraft gegen die mächtige Tür. Plötzlich sprang die Tür auf, da sie gar nicht verschlossen gewesen war. Da ernannte der König den Hofnarren zum Minister und das ganze Land bewunderte den Mut, das Selbstvertrauen und den Optimismus des Hofnarren, für den ein ganz neuer Lebensabschnitt begann. (nach Peseschkian)
Verfasst: 07.10.2004, 21:06
von Kattugla
Urs hat geschrieben:...Ich beiße nicht, obwohl ich als Pfleger in der Psychiatrie arbeite. Ich kann deine Gefühle aber verstehen...
Manchmal ist es für mich auch ein frustrierender Job, besonderst weil ich weis das manche Dinge von aussen nicht verstanden werden. Ich persönlich, und die Kollegen die ich kenne, handeln aber nach bestem Wissen und Gewissen, und ob man es nun glaubt oder nicht, im Sinne des Patienten....
...glaub ich Dir auch auf´s Wort. Es gibt halt unterschiedliche Einrichtungen. Und die Geschlossene in der Berliner Charité ist untergebracht in einem dunklen Backsteinhaus aus dem Jahre 1910, mit senfgraubraunem Ölsockelanstrich in den dunklen Fluren, dreiviertelmeterdicken Mauern und Fenstern, die zu hoch sind, um rauszuschauen. Wer nicht depressiv ist, wird es dort garantiert. Meine Gefühle damals waren sicherlich unlogisch und ein Mix aus den verschiedenen dumpfen Eindücken dort, aber wann sind Gefühle je logisch?
Ehrlich: es macht mich froh zu lesen, dasses auch andere Varianten gibt als das typische Klischee der "Irrenanstalt" aus Vorkriegszeiten. Berlin hat da sicherlich tonnenweise Nachholbedarf. Und mittlerweile freu ich mich über jeden, dem weitergeholfen wird. Aber damals war´s einfach zu viel für meine zartbesaitete Seele...
liebe Grüße
Kattugla
Verfasst: 08.10.2004, 00:06
von Husky
Kattugla hat geschrieben:...in einem dunklen Backsteinhaus aus dem Jahre 1910, mit senfgraubraunem Ölsockelanstrich in den dunklen Fluren, dreiviertelmeterdicken Mauern und Fenstern, die zu hoch sind, um rauszuschauen. Wer nicht depressiv ist, wird es dort garantiert...
Da sollte mal ein Feng Shui Berater vorbeischauen.
Kam gerade ein interessanter Bericht im TV.
Lieben Gruß
Uwe
Verfasst: 18.10.2004, 14:52
von Phoebe
Hallo Urs,
so ein Zufall, ich wollte mich nämlich genau auf das gleiche beziehen wie Kattugla.
Ich persönlich, und die Kollegen die ich kenne, handeln aber nach bestem Wissen und Gewissen, und ob man es nun glaubt oder nicht, im Sinne des Patienten.
Dir glaube ich das, das kann ich deutlich spüren, dass dem so ist, und sicherlich kann man nicht alle Ärzte über einen Kamm scheren.
Ich freue mich auch für die Leute, wenn ich hier von anderen Erlebnissen lese.
Ich denke, Ziel sollte sein, das Wahrnehmungsvermögen oder Gespür für einen selbst zu fördern/zu stärken. Und Grundvoraussetzung ist für mich, anzuerkennen, dass es eben da ist. Bzw. dass jede/r sein/ihre beste Heiler/in ist oder die Chance zur Heilung, in sich selbst trägt. Da man sich selbst schließlich am besten kennt.
Dann hat mir Kattugla mit ihrem Beitrag richtig aus dem Herzen gesprochen. (Bin jetzt zu faul, es hochzukopieren) Also sinngemäß, dass nur etwas "schräge Leute rundgehobelt" werden sollen. Und das große ersehnte Ziel ist letztlich Anpassung oder Wiederfunktionieren.
Was ist dieser Patient überhaupt für ein Mensch? Oder wo ist an ihm Wertvolles? Auch wenn er/sie wahrscheinlich nie im Sinne der Gesellschaftsnorm wird funktionieren können sei es durch Langzeitarbeitslosigkeit oder anderes.
Das sind Fragen, die den Ärzten und dem Pflegepersonal oft völlig egal sind.
@ Kobold
Also was deinen Bruder betrifft, den würde ich auf jeden Fall besuchen!
Ich finde sogar, das ist deine Pflicht, ihn jetzt nicht hängenzulassen, sprich allein zu lassen.
Viele Grüße
Phoebe