Ich sehe hinter dem Wort Entfremdung, so wie hier geschrieben, zweierlei Dinge... ich hoffe, ich kann das herausarbeiten.
Ein Teil der Entfremdung führe ich schlicht und ergreifend darauf zurück, dass ich eine andere Person als mein Gegenüber bin. Entfremdung als möglicher Teil der Selbsterkenntnis, in dem ich zunehmend realisiere, wie ich bin und wie andere nicht sind oder zu sein scheinen. Zunächst einmal das Trennende zu sehen. Später dann wieder das Verbindende. Ich nehme an, dass darüber nicht jeder bewußt nachdenkt und es daher nicht für jeden an Gewicht gewinnt. Was auch dazu führt, dass sich manche mehr und andere weniger "entfremdet" fühlen.
Das Gefühl, grundsätzlich nicht "dazu" zu gehören, das kenne ich gut. Eine Distanzierung, die einerseits geschaffen und andererseits "bestehend" ist. Irgendwie war ich in vielem anders als andere: ernster, kritischer, hinterfragender, subtiler, empfindlicher, sensibler... was bei vielen dazu führte, dass wir miteinander nichts anfangen konnten (bestenfalls). Andererseits hab ich von meiner Seite aus unterschiedlichen Gründen auch dafür gesorgt, dass die Distanz da war. Das Gefühl Entfremdung aufgrund des anders seins und die aktive Entfremdung...
An der Größe meines Freundeskreises hat sich nichts geändert *lach* Auch nicht sehr an den Menschen, mit denen ich mich gern länger umgebe. Sehr wohl aber an der Art und Weise, wie ich mit fremden Menschen oder Bekannten bin.
Während meiner intensiven "Reiki-phase" rutschte ich z.B. in eine Haltung, die mir zunächst das Gefühl gab, ich sei deswegen so, weil ich eben schon weiter sei als andere. Einerseits habe ich mich gegen diese Zuschreibung (sie kam auch deutlich und bewundernd von außen!) gewehrt, andererseits ist das eine sehr schmeichelhafte Bemerkung und sie macht einen ruhig und selbstzufrieden. Andererseits trifft sie eben nicht immer zu.
Ich glaube schon, dass es einige Menschen gibt, bei denen sich das Umfeld zunächst einmal klärt, weil sie sich selbst klären. Das war bei mir nicht anders, obwohl es im Endeffekt nur in einem Fall größere Auswirkungen hatte, von denen ich immer noch sagen würde, dass es derzeit richtig so ist. Ich muss aber leider sagen, dass ich zunächst eine zweigleisige Strategie anschlug. Ich fand endlich "meine" Leute, "meinen" Zugang und gleichzeitig grenzte ich mich zusehends gegen alles und jeden ab, der dies infrage stellte. Alles hinter dem Deckmantel der Toleranz. Ich wäre wirklich gern so gewesen und ich hab es versucht und geglaubt, ich sei es... *lach* Ne! Welch Irrtum! Oft jedenfalls. Meine (heile) Welt, mein Wissen, mein Fortschritt... DAS brachte mir Entfremdung in einer ganz neuen Variante. Ich hatte also nicht wirklich gelernt, die Distanz aufzugeben, ich hab mir nur eine andere Nische gesucht. Nur Liebe leben, wenn ich halbwegs sicher war, auch geliebt zu werden... ansonsten eine immerhin inzwischen hübsch verpackte Muschelschale. immer noch das gleiche Muster.
Bereits vor Reiki hatte ich begonnen, die Menschen und mich in unserer Beziehung zueinander wie auch getrennt voneinander anders zu sehen. Ich hatte begonnen, mein Herz zu öffnen. Wie so oft im Leben lernt man selten auf geradem Weg. Es gab also vor und während Reiki einiges hin und her. Völlig normal.
Mittlerweile bin ich wieder auf *meinem* Weg und ich bin ein Stückchen weiter. Ich brauche meinen (spirituellen) Fortschritt nicht mehr, um meine Entfremdung zu erklären. Es ist eher so, dass ich mich zusehends immer mehr den Menschen verbunden fühle. Je mehr ich weiß, desto näher komme ich. Das bedeutet eben nicht, dass ich jeden Freund nenne. Es bedeutet nicht, dass ich mich mit jedem über Gott und die Welt unterhalten kann oder möchte. Es bedeutet auch nicht, dass ich nicht anders bin.
Ich bin anders. Ich bin sogar anders als der sogenannte Durchschnitt. Ich hätte gern, dass es "besser" heißt, aber zunächst es ist nur anders. *lach* Das muss mich nicht von den anderen trennen, denn es gibt etwas, dass solche Unterschiede immer überwindet, wenn es von beiden Seiten aufgenommen wird: Liebe. Gerade bei dem Gefühl der Entfremdung... weil eben noch der andere Mensch mit seinen eigenen Entscheidungen da ist, kann ich eine gewisse Art der Distanz nicht immer aufheben. Aber mein Gefühl der Entfremdung/ Isolation schwindet mit dem Gefühl der Liebe. In erster Linie tue ich damit also etwas für mich.
Ich glaube, die Bewußtheit und das Fühlen, dass jeder einzelne Mensch ein unglaublich kostbarer Schatz ist, dass in jedem einzelnen Wesen mehr liegt, als wir uns mit unserem rationalen Verstand überhaupt erklären können, genau das hat meine Perspektive nachhaltig verändert. Vom Glauben zum Wissen. Kein Wissen, wie man es aus Büchern oder von weisen Lehrern erhält. Es ist eine Erfahrung. So ähnlich wie mit der Erleuchtung. Nichts, was sich in irgendeiner Form erzwingen lässt. Die einzigen Worte, die diese Erfahrung für mich bislang halbwegs passend beschreiben liegen im "Namasté"- Gruss. Aber Worte - so schön sie auch sind- sind nur ein Abklatsch dessen, was unbeschreibbar ist.
Nun gehe ich nicht hin und umarme jeden Menschen. Nein. Ich bin von manchen arg genervt, von anderen verängstigt oder verärgert. Ich bin so oft von der Liebe entfernt, dass es wirklich zum Himmel schreit! JA, ich fühle mich oft genug isoliert/ entfremdet. Aber ich lerne stets aufs Neue, das es nicht so ist, außer ich mache es dazu.
Hmm. Entfremdung ist für mich auch ein Weg, bei dem ich lerne kann, auf mich selbst zu schauen und mich von den anderen zu differenzieren. Das ist eine Möglichkeit, zu lernen, die andere Person als autark zu sehen UND eine Möglichkeit, mich vom anderen zu befreien und den eigenen Weg zu gehen. Gleichzeitig versuche ich mich durch die Distanzierung vor einer Vereinnahmung zu schützen. Im ungünstigeren Fall vermeide ich Konfrontation mit Wesensanteilen, die ich selbst in mir trage, aber nicht annehmen will.. Angst spielt eine wesentliche Rolle! Gewinne ich Vertrauen und liebe ich mich selbst, dann brauche ich diese Distanz und die Entfremdung/ Isolation nicht mehr. Wenn die anderen wiederum ihrerseits Isolation wählen, dann muss ich mich ihnen nicht zwangsläufig fremd fühlen.
In sehr langen Worten ausgedrückt, stimme ich eivella also zu

)) und ich möchte ganz klar sagen: Entfremdung kann seine guten Seiten haben, wenn man es als Prozess betrachtet und nicht müde wird, einmal hinter die Fassade zu schauen.
LG StilleWasser, die das mit Kürze und Würze nur selten schafft.