Die Sache mit den Erwartungen...
Verfasst: 19.07.2005, 12:17
Weiss noch nicht genau, in welche Rubrik das hier passt... ich brauch es gerade, mich mitzuteilen und damit nicht allein zu sein... wer immer das lesen mag, tue es bitte auf eigene Gefahr...
eben kam eine Karte von meiner Mutter, nachdem ich ihr vor einigen Monaten zum zweiten Mal geschrieben hatte, dass es mir wirklich zu viel ist, was sie mir aufbürdet - ihre Hilferufe, ihr Schmerz, alles dreht sich nur um mich, ich bin für all ihre Gefühle verantwortlich und wenn ich ihr nicht mehr schreibe will sie nicht mehr leben etc. Ich hatte das schonmal geschrieben, ganz freundlich, dass mir diese Bürde zu viel ist, und sie schrieb zurück: Aber das würde ich doch nie tun, so gut müsstest du mich doch kennen. In meinem zweiten Brief war ich dann noch deutlicher und habe gefragt, wie ich all diese Sätze denn sonst empfinden solle... ich dachte, das hätte sie verstanden, es kam jedenfalls monatelang nichts mehr, dann kam Geld zum Geburtstag, genau der Betrag, den ich mir beim Universum gewünscht hatte für meine Zahnkrone, und gleichzeitig wieder dieses Gefühl, dass es mir die ganze Brust zuschnürt, weil Geschenke in meiner Familie immer mit Bedingungen verbunden sind, auch wenn sie 10x was anderes sagen. Ich hab mich nicht bedankt, es ging einfach nicht. In den letzten Tagen hab ich eine extreme Dunkelheit um mich herum gespürt, und als ich heute zum Briefkasten ging, fühlte ich, da wäre was von meiner Mutter drin. Und so war es auch. Und stellt Euch vor was diese perfide Frau gemacht hat.
Sie hat den Text von meinem heiligsten Lied genommen... „It is over now“... und hat ihn Zeile für Zeile umgeschrieben, alles ins Negative verwandelt, und jede Zeile mit einem Fragezeichen versehen.
Zum Glück waren meine inneren Kinder einigermassen geschützt, und zum Glück hab ich das Ganze nur grob überflogen. Dann sofort zerrissen und verbrannt.
Dieses Lied bedeutet für mich, dass es Gott gibt, eine grössere Kraft, dass es Vertrauen gibt und vor allem Trost. Trost gab es nie in meiner Familie. Keiner weiss, was das ist. Sogar in der Traueranzeige von meinem Vater liess meine Mutter wörtlich in die Zeitung drucken: „Ich bin untröstlich.“ Sowas hab ich noch nie gesehen. Kein einziges tröstliches Wort, kein Hauch von Liebe in der ganzen Anzeige, nur Düsternis, Verzweiflung, Untröstlichkeit. Niemals kann das besser werden, niemals kann sich das je auflösen, nichts kann sie jemals retten... ausser mir, ich soll das können. Wobei ich das nicht kann. Ich hab immer das Bild von der sinkenden Titanic, meine Mutter steht an Bord und streckt ihre Arme aus, dass ich sie retten soll, und wenn ich es tue, gehe ich mit unter, weil ich nicht grösser bin als das sinkende Schiff. Ich bin ein Mensch. Aber das sieht sie nicht. Sie ist der Mensch und ich bin der liebe Gott, der sie retten soll und der stärker ist als die sinkende Titanic. Wenn ich es wage, mal Mensch zu sein und Gefühle zu äussern, dann fragt sie, wie ich ihr das antun könne und ob ich denn vergessen hätte, dass sie ein Mensch sei. Das ist eine solche WUCHT von Erwartung, und die lastet auf mir seit ich geboren bin. Von der eigenen Mutter, die eigentlich die Verantwortung gehabt hätte, mich zu lieben, zu schützen, mich in meiner Entwicklung zu begleiten und zu fördern. Das ist echt das Schlimmste... die Abhängigkeit des eigenen Kindes zu benutzen, um das Kind zu dressieren, alle Bedürfnisse zu erfüllen, ihm alle Verantwortung zu geben... dafür hab ich überhaupt keine Worte.
Seit etwa 3 Jahren fühle ich mich innerlich wieder so, wie Anfang der 90er, wo es für mich keinen sicheren Ort nirgendwo gab und ich mich ständig verfolgt, gehetzt, bedroht fühlte. Mein Feind waren Erwartungen, und von denen gab es massig, weil ich angefangen hatte, zu arbeiten und mein Geld selber zu verdienen. Ich hab das nicht ausgehalten und bin nach einer Weile zusammengebrochen. All diese Erwartungen landen bei meinem inneren Baby. Erwachsen werden konnte nur mein Körper und mein Verstand. Als ich ausgezogen bin, haben meine Eltern reagiert wie zwei kleine Kinder, denen die Mutter wegläuft. Stalking ist ein Dreck dagegen. Ich hatte meine Adressen beim Meldeamt geschützt wegen Gefahr für Leib und Leben, und sie haben sie immer rausgefunden. Nur meine rasende Wut konnte mich vor ihnen beschützen, denn davor sind sie zurückgeschreckt. Es tut so weh, den eigenen Eltern gegenüber eine solche heftige Wut entwickeln zu müssen, damit sie überhaupt mal die kleinste Grenze respektieren. Und es bei jedem Schritt in Kauf zu nehmen, dass die eigene Mutter sich umbringt. Und natürlich die ganzen Freunde meiner Eltern und auch meine früheren Freunde, für die war ich die Böse. „Man kann doch mit denen reden, es sind doch deine Eltern. Du bist doch die Starke, sie wissen es nicht besser.“ Das hat mich so verzweifelt gemacht, weil sich einfach keiner vorstellen konnte, dass man mit meiner Mutter nicht reden kann. Aber nach aussen wirkte sie ja so treusorgend und liebevoll. Und alle haben mitgemacht bei dieser völligen Rollenumkehrung - ich die Mutter, sie die Kinder.
Nach meiner Überdosis Schlaftabletten (weil ich dem Druck nicht mehr gewachsen war) landete ich in einer üblen geschlossenen Psychiatrie. Dort wurden alle paar Stunden Frauen mit sogenannten akuten Psychosen eingeliefert. Und zum ersten Mal sah ich Frauen, die so waren wie meine Mutter. In jeder dritten Frau begegnete mir einer der entsetzlichen Zustände meiner Mutter - tagelang mit maskenhaft versteinertem Gesicht die Wand anstarren zum Beispiel. Oder stundenlang heulen und schluchzen vor lauter Scham, was wohl die Nachbarn denken. Oder stundenlange gehässige Monologe führen über alle möglichen Freunde und Bekannten. Und vor allem, alles in den Schmutz ziehen, was schön ist, wertvoll ist, heilig ist. Und für jede kleinste Gefühlsregung anderen die Schuld geben. Immer dem, der gerade in der Nähe ist und sich nicht wehren kann.
Jedenfalls... hatte ich dann eine Therapeutin gefunden, die mir etwas entgegenbrachte, was ich bis Mitte 20 noch gar nie erfahren hatte: liebevolle Präsenz ohne Erwartungen und eine Einladung, meine Gefühle zu zeigen und auszudrücken. So entstand mein innerer sicherer Ort. Sicher ist für mich, was keine Erwartung an mich hat und wo ich meine Gefühle ausdrücken kann und darf. Und ich bin da mega-sensibel, schon der Hauch eines Helfersyndroms, der Hauch einer Erwartung, und ich mache dicht. Selbst wenn mir jemand Gutes wünscht... dass meine Augen strahlen mögen, dass ich Liebe im Herzen fühlen möge... selbst das fühlt sich nicht wirklich gut an, weil es wieder eine Botschaft ist, wie ich sein soll. Ich hatte dann gelernt, diesen erwartungsfreien Zustand in mir zu verankern und auch viele entsprechende Menschen gefunden, mit denen das funktioniert hat in beide Richtungen, denn was ich bekommen hatte, konnte ich auch geben. Einen Raum schaffen, wo alles dasein darf, wo sich jeder Prozess entfalten darf, wo die eigene innere Weisheit die Führung übernimmt, und wo sich wirklich etwas verwandelt. Immer das, was gerade da ist und dran ist. Schritt für Schritt. Das ging so lange gut, bis ich vor 3 Jahren eine Serie von Ereignissen erlebte, womit ich allein und nur mit der Hilfe von Reiki nicht zurechtkam. Und da war kein Mensch mehr in meinem Leben, der mich an diesen inneren Raum ohne Erwartungen erinnert hätte und mir geholfen hätte, den wiederzufinden. Und ich landete in einer spirituellen Klinik. Dort sind die Erwartungen und Regeln auf mich eingeprasselt. Und ich war offen, wollte meine Gefühle ausdrücken und mitteilen, den ganzen Schmerz mit liebevoller Begleitung von mir wegschwingen. Da kam dann immer „Nein, nicht einsteigen“. Die dachten, ich würde unkontrolliert abdriften in ein altes Trauma. Alles erklären nutzte nichts. Früher hätte ich mich gewehrt und zu mir gestanden mit Händen und Füssen, aber ich hatte das Wort Hingabe missverstanden. Ich dachte, das sei wohl alles richtig so und im Sinne einer höheren Kraft. Das war reiner Selbstverrat.
Meine zwei Therapeuten haben mir jedes Wort im Mund umgedreht. Zum Beispiel: „Wie geht es Ihnen mit Veranstaltung xy?“ Antwort: „Am Montag war es klasse aus diesem Grund und am Freitag nicht so klasse aus jenem Grund.“ Reaktion: „Merken Sie eigentlich, dass Sie wieder spalten?“ Was immer ich sagte, wurde nicht gehört oder umgedreht. Meistens hatte ich das Gefühl, die reden mit jemand ganz anderem, aber nicht mit mir. Ich hatte einen Stempel auf der Stirn mit einer bestimmten Diagnose, und egal was ich sagte oder nicht, was ich tat oder nicht, es war krank und wurde pathologisiert. Die Grundhaltung der Therapeuten war, dass die Patienten unmündig sind und nicht wissen, was gut für sie ist, sonst müssten sie nicht in eine Klinik kommen. Dort kriegen sie dann gesagt, was gut für sie ist, und wenn sie das ablehnen, sind sie nicht einsichtig, renitent und eben Borderliner. Das ist so respektlos und entwürdigend! In den Gruppen durfte man nicht den Raum verlassen, nicht trinken, nicht für sich sorgen. Es war ein so langer Weg für mich gewesen, das zu lernen! Alles wurde über einen Kamm geschoren. Wer sich hinlegen will, muss sich in die Mitte legen, um sich nicht wieder aus dem Kreis auszuschliessen. Ich liege oft gern in der Mitte, aber manchmal eben auch nicht. Für dieses manchmal so, manchmal so gab es keinen Raum in einer Klinik, die sich rühmte für ihr heilendes Feld, ihre Meditationen, ihre göttliche Anbindung. Und das Gemeinste war, wenn ich etwas nicht aushielt und auch nicht rausgehen durfte und anfing, mich zu äussern, kamen sie zu mehreren auf mich zu und redeten auf mich ein in dem Tenor, dass ich Wege finden müsste, das jetzt auszuhalten und meine Gefühle nicht auszudrücken. Meine jetzige Therapeutin nennt das ganz klar Vergewaltigung. VERGEWALTIGUNG. Dafür muss man nicht körperlich werden. Ja, das war wie früher in meiner Familie. Und danach hatte ich kein Vertrauen mehr, vor allem nicht mehr in Therapeuten, mit denen ich bis zu diesem Zeitpunkt überwiegend gute Erfahrungen gemacht hatte.
Drei Jahre hab ich jetzt gelebt mit einem Knoten unterm Brustbein und Erwartungs-Pfeilen und absoluten Regeln und Zwängen, die in mir steckten und die ich nicht mehr rausziehen konnte. Ich hab die alle mitgenommen, diese ganzen Arschlöcher aus der Klinik, innerlich standen sie um mich herum und beobachteten jeden Atemzug von mir, um mich sofort anspringen zu können bei jeder kleinsten Gefühlsregung, um mir zu sagen, dass das so nicht richtig sei, nicht ginge, nicht den Regeln entspräche und dass ich stattdessen dies oder jenes tun solle, weil das gut für mich sei.
Das ist jetzt vorbei. Dieser Satz kam eben aus den tiefsten Tiefen. It is over now. Meine jetzige Therapeutin hat mir geholfen, diesen erwartungsfreien Raum wieder zu erschaffen und fühlen zu können. Es geht langsam, Schritt für Schritt, doch die Versteinerung löst sich. Je mehr Versteinerung sich löst, desto mehr Reiki kann ich wieder fühlen. Je mehr ich atmen und weinen kann, desto stärker verlieren die Erwartungen anderer ihre Macht. Und ich darf das. ICH DARF DAS. Ich darf jeden abschütteln, der versucht, sich wie ein Stein an mich zu hängen. Ich darf das und ich kann das und ich bin deshalb kein böses, liebloses Monster. Ich bin nicht die Mutter meiner Mutter. Auch wenn ich das immer noch nicht fühlen kann, weil sie einfach so gar nichts von einer erwachsenen Frau hat und sich schon immer wie eine 3jährige benommen hat, seit ich lebe. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo ich mich selbst endlich auch wieder wie eine 3jährige fühlen und benehmen will und darf!!! Jawohl. Meine 3jährige will nämlich wachsen und nicht mit der Titanic untergehen. Und sie muss sich auch nicht umbringen, damit meine Mutter endlich sieht, was sie mir angetan hat. Denn das würde sie selbst dann noch nicht sehen, weil sie es nicht sehen will und kann.
Ich danke Euch allen, die das gelesen haben. Da war so ein starkes Gefühl in mir, das jetzt mal in die Welt hinaus sagen zu müssen. Hat gutgetan. Gut, dass Ihr daseid.
Sheelara
eben kam eine Karte von meiner Mutter, nachdem ich ihr vor einigen Monaten zum zweiten Mal geschrieben hatte, dass es mir wirklich zu viel ist, was sie mir aufbürdet - ihre Hilferufe, ihr Schmerz, alles dreht sich nur um mich, ich bin für all ihre Gefühle verantwortlich und wenn ich ihr nicht mehr schreibe will sie nicht mehr leben etc. Ich hatte das schonmal geschrieben, ganz freundlich, dass mir diese Bürde zu viel ist, und sie schrieb zurück: Aber das würde ich doch nie tun, so gut müsstest du mich doch kennen. In meinem zweiten Brief war ich dann noch deutlicher und habe gefragt, wie ich all diese Sätze denn sonst empfinden solle... ich dachte, das hätte sie verstanden, es kam jedenfalls monatelang nichts mehr, dann kam Geld zum Geburtstag, genau der Betrag, den ich mir beim Universum gewünscht hatte für meine Zahnkrone, und gleichzeitig wieder dieses Gefühl, dass es mir die ganze Brust zuschnürt, weil Geschenke in meiner Familie immer mit Bedingungen verbunden sind, auch wenn sie 10x was anderes sagen. Ich hab mich nicht bedankt, es ging einfach nicht. In den letzten Tagen hab ich eine extreme Dunkelheit um mich herum gespürt, und als ich heute zum Briefkasten ging, fühlte ich, da wäre was von meiner Mutter drin. Und so war es auch. Und stellt Euch vor was diese perfide Frau gemacht hat.
Sie hat den Text von meinem heiligsten Lied genommen... „It is over now“... und hat ihn Zeile für Zeile umgeschrieben, alles ins Negative verwandelt, und jede Zeile mit einem Fragezeichen versehen.
Zum Glück waren meine inneren Kinder einigermassen geschützt, und zum Glück hab ich das Ganze nur grob überflogen. Dann sofort zerrissen und verbrannt.
Dieses Lied bedeutet für mich, dass es Gott gibt, eine grössere Kraft, dass es Vertrauen gibt und vor allem Trost. Trost gab es nie in meiner Familie. Keiner weiss, was das ist. Sogar in der Traueranzeige von meinem Vater liess meine Mutter wörtlich in die Zeitung drucken: „Ich bin untröstlich.“ Sowas hab ich noch nie gesehen. Kein einziges tröstliches Wort, kein Hauch von Liebe in der ganzen Anzeige, nur Düsternis, Verzweiflung, Untröstlichkeit. Niemals kann das besser werden, niemals kann sich das je auflösen, nichts kann sie jemals retten... ausser mir, ich soll das können. Wobei ich das nicht kann. Ich hab immer das Bild von der sinkenden Titanic, meine Mutter steht an Bord und streckt ihre Arme aus, dass ich sie retten soll, und wenn ich es tue, gehe ich mit unter, weil ich nicht grösser bin als das sinkende Schiff. Ich bin ein Mensch. Aber das sieht sie nicht. Sie ist der Mensch und ich bin der liebe Gott, der sie retten soll und der stärker ist als die sinkende Titanic. Wenn ich es wage, mal Mensch zu sein und Gefühle zu äussern, dann fragt sie, wie ich ihr das antun könne und ob ich denn vergessen hätte, dass sie ein Mensch sei. Das ist eine solche WUCHT von Erwartung, und die lastet auf mir seit ich geboren bin. Von der eigenen Mutter, die eigentlich die Verantwortung gehabt hätte, mich zu lieben, zu schützen, mich in meiner Entwicklung zu begleiten und zu fördern. Das ist echt das Schlimmste... die Abhängigkeit des eigenen Kindes zu benutzen, um das Kind zu dressieren, alle Bedürfnisse zu erfüllen, ihm alle Verantwortung zu geben... dafür hab ich überhaupt keine Worte.
Seit etwa 3 Jahren fühle ich mich innerlich wieder so, wie Anfang der 90er, wo es für mich keinen sicheren Ort nirgendwo gab und ich mich ständig verfolgt, gehetzt, bedroht fühlte. Mein Feind waren Erwartungen, und von denen gab es massig, weil ich angefangen hatte, zu arbeiten und mein Geld selber zu verdienen. Ich hab das nicht ausgehalten und bin nach einer Weile zusammengebrochen. All diese Erwartungen landen bei meinem inneren Baby. Erwachsen werden konnte nur mein Körper und mein Verstand. Als ich ausgezogen bin, haben meine Eltern reagiert wie zwei kleine Kinder, denen die Mutter wegläuft. Stalking ist ein Dreck dagegen. Ich hatte meine Adressen beim Meldeamt geschützt wegen Gefahr für Leib und Leben, und sie haben sie immer rausgefunden. Nur meine rasende Wut konnte mich vor ihnen beschützen, denn davor sind sie zurückgeschreckt. Es tut so weh, den eigenen Eltern gegenüber eine solche heftige Wut entwickeln zu müssen, damit sie überhaupt mal die kleinste Grenze respektieren. Und es bei jedem Schritt in Kauf zu nehmen, dass die eigene Mutter sich umbringt. Und natürlich die ganzen Freunde meiner Eltern und auch meine früheren Freunde, für die war ich die Böse. „Man kann doch mit denen reden, es sind doch deine Eltern. Du bist doch die Starke, sie wissen es nicht besser.“ Das hat mich so verzweifelt gemacht, weil sich einfach keiner vorstellen konnte, dass man mit meiner Mutter nicht reden kann. Aber nach aussen wirkte sie ja so treusorgend und liebevoll. Und alle haben mitgemacht bei dieser völligen Rollenumkehrung - ich die Mutter, sie die Kinder.
Nach meiner Überdosis Schlaftabletten (weil ich dem Druck nicht mehr gewachsen war) landete ich in einer üblen geschlossenen Psychiatrie. Dort wurden alle paar Stunden Frauen mit sogenannten akuten Psychosen eingeliefert. Und zum ersten Mal sah ich Frauen, die so waren wie meine Mutter. In jeder dritten Frau begegnete mir einer der entsetzlichen Zustände meiner Mutter - tagelang mit maskenhaft versteinertem Gesicht die Wand anstarren zum Beispiel. Oder stundenlang heulen und schluchzen vor lauter Scham, was wohl die Nachbarn denken. Oder stundenlange gehässige Monologe führen über alle möglichen Freunde und Bekannten. Und vor allem, alles in den Schmutz ziehen, was schön ist, wertvoll ist, heilig ist. Und für jede kleinste Gefühlsregung anderen die Schuld geben. Immer dem, der gerade in der Nähe ist und sich nicht wehren kann.
Jedenfalls... hatte ich dann eine Therapeutin gefunden, die mir etwas entgegenbrachte, was ich bis Mitte 20 noch gar nie erfahren hatte: liebevolle Präsenz ohne Erwartungen und eine Einladung, meine Gefühle zu zeigen und auszudrücken. So entstand mein innerer sicherer Ort. Sicher ist für mich, was keine Erwartung an mich hat und wo ich meine Gefühle ausdrücken kann und darf. Und ich bin da mega-sensibel, schon der Hauch eines Helfersyndroms, der Hauch einer Erwartung, und ich mache dicht. Selbst wenn mir jemand Gutes wünscht... dass meine Augen strahlen mögen, dass ich Liebe im Herzen fühlen möge... selbst das fühlt sich nicht wirklich gut an, weil es wieder eine Botschaft ist, wie ich sein soll. Ich hatte dann gelernt, diesen erwartungsfreien Zustand in mir zu verankern und auch viele entsprechende Menschen gefunden, mit denen das funktioniert hat in beide Richtungen, denn was ich bekommen hatte, konnte ich auch geben. Einen Raum schaffen, wo alles dasein darf, wo sich jeder Prozess entfalten darf, wo die eigene innere Weisheit die Führung übernimmt, und wo sich wirklich etwas verwandelt. Immer das, was gerade da ist und dran ist. Schritt für Schritt. Das ging so lange gut, bis ich vor 3 Jahren eine Serie von Ereignissen erlebte, womit ich allein und nur mit der Hilfe von Reiki nicht zurechtkam. Und da war kein Mensch mehr in meinem Leben, der mich an diesen inneren Raum ohne Erwartungen erinnert hätte und mir geholfen hätte, den wiederzufinden. Und ich landete in einer spirituellen Klinik. Dort sind die Erwartungen und Regeln auf mich eingeprasselt. Und ich war offen, wollte meine Gefühle ausdrücken und mitteilen, den ganzen Schmerz mit liebevoller Begleitung von mir wegschwingen. Da kam dann immer „Nein, nicht einsteigen“. Die dachten, ich würde unkontrolliert abdriften in ein altes Trauma. Alles erklären nutzte nichts. Früher hätte ich mich gewehrt und zu mir gestanden mit Händen und Füssen, aber ich hatte das Wort Hingabe missverstanden. Ich dachte, das sei wohl alles richtig so und im Sinne einer höheren Kraft. Das war reiner Selbstverrat.
Meine zwei Therapeuten haben mir jedes Wort im Mund umgedreht. Zum Beispiel: „Wie geht es Ihnen mit Veranstaltung xy?“ Antwort: „Am Montag war es klasse aus diesem Grund und am Freitag nicht so klasse aus jenem Grund.“ Reaktion: „Merken Sie eigentlich, dass Sie wieder spalten?“ Was immer ich sagte, wurde nicht gehört oder umgedreht. Meistens hatte ich das Gefühl, die reden mit jemand ganz anderem, aber nicht mit mir. Ich hatte einen Stempel auf der Stirn mit einer bestimmten Diagnose, und egal was ich sagte oder nicht, was ich tat oder nicht, es war krank und wurde pathologisiert. Die Grundhaltung der Therapeuten war, dass die Patienten unmündig sind und nicht wissen, was gut für sie ist, sonst müssten sie nicht in eine Klinik kommen. Dort kriegen sie dann gesagt, was gut für sie ist, und wenn sie das ablehnen, sind sie nicht einsichtig, renitent und eben Borderliner. Das ist so respektlos und entwürdigend! In den Gruppen durfte man nicht den Raum verlassen, nicht trinken, nicht für sich sorgen. Es war ein so langer Weg für mich gewesen, das zu lernen! Alles wurde über einen Kamm geschoren. Wer sich hinlegen will, muss sich in die Mitte legen, um sich nicht wieder aus dem Kreis auszuschliessen. Ich liege oft gern in der Mitte, aber manchmal eben auch nicht. Für dieses manchmal so, manchmal so gab es keinen Raum in einer Klinik, die sich rühmte für ihr heilendes Feld, ihre Meditationen, ihre göttliche Anbindung. Und das Gemeinste war, wenn ich etwas nicht aushielt und auch nicht rausgehen durfte und anfing, mich zu äussern, kamen sie zu mehreren auf mich zu und redeten auf mich ein in dem Tenor, dass ich Wege finden müsste, das jetzt auszuhalten und meine Gefühle nicht auszudrücken. Meine jetzige Therapeutin nennt das ganz klar Vergewaltigung. VERGEWALTIGUNG. Dafür muss man nicht körperlich werden. Ja, das war wie früher in meiner Familie. Und danach hatte ich kein Vertrauen mehr, vor allem nicht mehr in Therapeuten, mit denen ich bis zu diesem Zeitpunkt überwiegend gute Erfahrungen gemacht hatte.
Drei Jahre hab ich jetzt gelebt mit einem Knoten unterm Brustbein und Erwartungs-Pfeilen und absoluten Regeln und Zwängen, die in mir steckten und die ich nicht mehr rausziehen konnte. Ich hab die alle mitgenommen, diese ganzen Arschlöcher aus der Klinik, innerlich standen sie um mich herum und beobachteten jeden Atemzug von mir, um mich sofort anspringen zu können bei jeder kleinsten Gefühlsregung, um mir zu sagen, dass das so nicht richtig sei, nicht ginge, nicht den Regeln entspräche und dass ich stattdessen dies oder jenes tun solle, weil das gut für mich sei.
Das ist jetzt vorbei. Dieser Satz kam eben aus den tiefsten Tiefen. It is over now. Meine jetzige Therapeutin hat mir geholfen, diesen erwartungsfreien Raum wieder zu erschaffen und fühlen zu können. Es geht langsam, Schritt für Schritt, doch die Versteinerung löst sich. Je mehr Versteinerung sich löst, desto mehr Reiki kann ich wieder fühlen. Je mehr ich atmen und weinen kann, desto stärker verlieren die Erwartungen anderer ihre Macht. Und ich darf das. ICH DARF DAS. Ich darf jeden abschütteln, der versucht, sich wie ein Stein an mich zu hängen. Ich darf das und ich kann das und ich bin deshalb kein böses, liebloses Monster. Ich bin nicht die Mutter meiner Mutter. Auch wenn ich das immer noch nicht fühlen kann, weil sie einfach so gar nichts von einer erwachsenen Frau hat und sich schon immer wie eine 3jährige benommen hat, seit ich lebe. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo ich mich selbst endlich auch wieder wie eine 3jährige fühlen und benehmen will und darf!!! Jawohl. Meine 3jährige will nämlich wachsen und nicht mit der Titanic untergehen. Und sie muss sich auch nicht umbringen, damit meine Mutter endlich sieht, was sie mir angetan hat. Denn das würde sie selbst dann noch nicht sehen, weil sie es nicht sehen will und kann.
Ich danke Euch allen, die das gelesen haben. Da war so ein starkes Gefühl in mir, das jetzt mal in die Welt hinaus sagen zu müssen. Hat gutgetan. Gut, dass Ihr daseid.
Sheelara