Thema der 15. KW: Im falschen Film ...........
Verfasst: 12.04.2006, 23:50
Kennt ihr dieses Gefühl oder diesen Satz: „Ich glaube, ich bin hier im falschen Film gelandet.“
Diesen Satz habe ich in den letzten 4 Wochen 2 mal ausgesprochen.
Die erste Geschichte ist vor 4 Wochen passiert:
Ich bin mit einem Antrag von meinem Hausarzt „für einen Antrag auf Kur/Rehabilitation“ zu meiner Krankenkasse gegangen. Schon das war lächerlich: Ein Antrag für einen Antrag. Die Begründung: Wegen MS. Eindeutiger geht es nicht.
Nachdem die Sachbearbeiterin festgestellt hat, daß ich etliche Jahre in Vollzeit als Angestellte gearbeitet habe, sagte sie mir, es käme dann nur der Rentenversicherungsträger für eine Kur auf.
Sie stellte mir dann noch ein paar Fragen und dann kam die umhauende Frage: “Frau T., ist ihre Erkrankung auf eine ihrer früheren Tätigkeiten zurückzuführen?“
Ich habe ganz tief Luft geholt und gedacht, moment mal, was war das jetzt? Und dann bin ich explodiert. Ich bin kein Mensch, der außerhalb der Familie schnell laut wird, hier zu Hause bei den Kids ja, ist ja auch ab und zu sehr reinigend.
Ich habe gedacht, mein Hals platzt gleich. Ich saß in einem Zweierbüro, getrennt durch eine Glaswand und Tür. Ich habe ganz laut gesagt: „Wie bitte, MS ist eine Nervenkrankheit. Soll ich dafür heute die Firma X, Y und Z verantwortlich machen, daß es mir nicht gut geht? Jetzt nach fast 20 Jahren? Für diese Erkrankung kann ich keinen verantwortlich machen.“
Der Kollege im Nebenraum zuckte zusammen und guckte entsetzt rüber. Seine Kollegin spielte nervös mit ihrem Kugelschreiber und sagte dann zu mir sehr leise: “Tut mit leid, ich mußte sie das fragen.“ Sie gab mir einen Stapel Papiere für meinen Hausarzt und für mich zum Ausfüllen.
Irgendwie kam ich mir sehr erniedrigt vor, obwohl das ja Quatsch ist. Was können sich Ämter noch so alles herausnehmen? Was haben die von mir eigentlich erwartet? Sollte ich die Firma X anklagen, das „die“ Schuld sind an meiner Erkrankung, tragen die dann die Kurkosten?????
Die zweite Geschichte ist am Samstag passiert:
Meine Mutter ist vor 5 Jahren verstorben und seitdem kümmere ich mich um ihren 80 j. Lebensgefährten W., insbesondere nach seinem 2. Schlaganfall vor 2 Jahren.
Tochter Honeysmile putzt bei W. alle 14 Tage das Treppenhaus. So war sie auch am Samstag bei ihm. Er öffnete ihr die Tür und war sehr wackelig auf den Beinen. Honeysmile führte ihn zum Sessel und rief sofort zu Hause an: "„Mama, komm schnell, mit dem W. ist was...!“
Mein Mann und ich machten uns sofort auf den Weg nach W., waren nach 10 Minuten dort.
Seit seinem ersten Schlaganfall leidet W. unter Bluthochdruck. Beim zweiten Schlaganfall hatte er eine rechtsseitige Lähmung, hat sich aber irgendwie wieder bekriegt und wurschtelt in seiner Wohnung mit Hilfe von zig Leuten herum.
Er wurde im August wieder ausgestuft. Er ist zwar hilflos und schwerbehindert (70 %), aber nicht mehr pflegebedürftig.
W. sah aschfahl im Gesicht aus, ich konnte seinen Blutdruck nicht messen, er wirkte irgendwie abwesend und hatte auf seiner Hose Spuren von Blut, die vom Urin stammten.
Ich rief sofort die Nummer 112 an. Bei allen folgenden Telefonaten gab ich dies an:
„80 Jahre alt, zwei Schlaganfälle, der letzte vor 2 Jahren, wackelig, irgendwie geistesabwesend, kann kaum laufen, atmet heftig, Blutdruck nicht zu messen und Blutflecken auf der Unterhose, wahrscheinlich vom Urin.“
Die nette Dame von 112 gab mir freundlicherweise die Telefon-Nr. von dem Bereitschaftsdienst. Bei uns nennt sich das noch: Das Hausärzte-Netz.
Unter dieser Nummer bekam ich dann die Handy-Nr. von dem diensthabenden Arzt, der in W. Wohngebiet Bereitschaft hatte.
Dieser Arzt, anscheinend im Auto unterwegs, hörte sich meinen Text an und gab mir zur Antwort: „Das hört sich ja nicht so dramatisch an. Ich habe so viele Patienten, rufen sie mich in 2-3 Stunden noch einmal an.“ Ich sagte dann noch irgendwie danke, drückte auf die Gabel und guckte den Telefonhörer an. Irgendwie war ich jetzt im ganz falschen und schlechten Film gelandet.
Während sich mein Mann im Wohnzimmer aufregte, fiel mein Blick auf den Notrufkasten der Johanniter, der neben dem Telefon steht. Irgendwie war ich blockiert und rief erst einmal ganz normal über Telefon die Johanniter an. Der junge Mann sagte direkt: „Bitte benutzen sie unseren Notruf. Ich sitz gleich daneben.“
Dann ging alles sehr schnell. Innerhalb von 7 o. 8 Minuten war der Dienst der Johanniter bei W., nach 10 Minuten war der Krankentransport da.
W. hatte Wasser in den Beinen und wohl eine dicke Blasenentzündung, daher das Blut. Der Blutdruck war sehr stark dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Die ganze Sache hätte böse enden können, vor allen Dingen, weil W. obendrein auch ein Sturkopf ist und den Notruf-Finger nicht trägt. Er wäre gar nicht mehr ans Telefon gekommen.
Ich habe mir am Ende des Tages überlegt, vielleicht hätte ich am Telefon sagen sollen, der Herr liegt auf dem Boden. Vielleicht wäre dann sofort der wirkliche Notarzt gekommen und 112 hätte gereicht.
Nach diesen zwei Geschehnissen zweifel ich manchmal sehr stark an unserer Gesundheitsreform.
Wie ist es bei euch? Wart ihr auch schon mal "im falschen Film"?
Habt ihr euch auch gedacht, diese Rolle wollte ich ganz bestimmt nicht spielen oder habe ich nicht erwartet?
Liebe Grüße von
Kathi (die diese Woche ein locker leichtes Osterthema machen wollte)
Diesen Satz habe ich in den letzten 4 Wochen 2 mal ausgesprochen.
Die erste Geschichte ist vor 4 Wochen passiert:
Ich bin mit einem Antrag von meinem Hausarzt „für einen Antrag auf Kur/Rehabilitation“ zu meiner Krankenkasse gegangen. Schon das war lächerlich: Ein Antrag für einen Antrag. Die Begründung: Wegen MS. Eindeutiger geht es nicht.
Nachdem die Sachbearbeiterin festgestellt hat, daß ich etliche Jahre in Vollzeit als Angestellte gearbeitet habe, sagte sie mir, es käme dann nur der Rentenversicherungsträger für eine Kur auf.
Sie stellte mir dann noch ein paar Fragen und dann kam die umhauende Frage: “Frau T., ist ihre Erkrankung auf eine ihrer früheren Tätigkeiten zurückzuführen?“
Ich habe ganz tief Luft geholt und gedacht, moment mal, was war das jetzt? Und dann bin ich explodiert. Ich bin kein Mensch, der außerhalb der Familie schnell laut wird, hier zu Hause bei den Kids ja, ist ja auch ab und zu sehr reinigend.
Ich habe gedacht, mein Hals platzt gleich. Ich saß in einem Zweierbüro, getrennt durch eine Glaswand und Tür. Ich habe ganz laut gesagt: „Wie bitte, MS ist eine Nervenkrankheit. Soll ich dafür heute die Firma X, Y und Z verantwortlich machen, daß es mir nicht gut geht? Jetzt nach fast 20 Jahren? Für diese Erkrankung kann ich keinen verantwortlich machen.“
Der Kollege im Nebenraum zuckte zusammen und guckte entsetzt rüber. Seine Kollegin spielte nervös mit ihrem Kugelschreiber und sagte dann zu mir sehr leise: “Tut mit leid, ich mußte sie das fragen.“ Sie gab mir einen Stapel Papiere für meinen Hausarzt und für mich zum Ausfüllen.
Irgendwie kam ich mir sehr erniedrigt vor, obwohl das ja Quatsch ist. Was können sich Ämter noch so alles herausnehmen? Was haben die von mir eigentlich erwartet? Sollte ich die Firma X anklagen, das „die“ Schuld sind an meiner Erkrankung, tragen die dann die Kurkosten?????
Die zweite Geschichte ist am Samstag passiert:
Meine Mutter ist vor 5 Jahren verstorben und seitdem kümmere ich mich um ihren 80 j. Lebensgefährten W., insbesondere nach seinem 2. Schlaganfall vor 2 Jahren.
Tochter Honeysmile putzt bei W. alle 14 Tage das Treppenhaus. So war sie auch am Samstag bei ihm. Er öffnete ihr die Tür und war sehr wackelig auf den Beinen. Honeysmile führte ihn zum Sessel und rief sofort zu Hause an: "„Mama, komm schnell, mit dem W. ist was...!“
Mein Mann und ich machten uns sofort auf den Weg nach W., waren nach 10 Minuten dort.
Seit seinem ersten Schlaganfall leidet W. unter Bluthochdruck. Beim zweiten Schlaganfall hatte er eine rechtsseitige Lähmung, hat sich aber irgendwie wieder bekriegt und wurschtelt in seiner Wohnung mit Hilfe von zig Leuten herum.
Er wurde im August wieder ausgestuft. Er ist zwar hilflos und schwerbehindert (70 %), aber nicht mehr pflegebedürftig.
W. sah aschfahl im Gesicht aus, ich konnte seinen Blutdruck nicht messen, er wirkte irgendwie abwesend und hatte auf seiner Hose Spuren von Blut, die vom Urin stammten.
Ich rief sofort die Nummer 112 an. Bei allen folgenden Telefonaten gab ich dies an:
„80 Jahre alt, zwei Schlaganfälle, der letzte vor 2 Jahren, wackelig, irgendwie geistesabwesend, kann kaum laufen, atmet heftig, Blutdruck nicht zu messen und Blutflecken auf der Unterhose, wahrscheinlich vom Urin.“
Die nette Dame von 112 gab mir freundlicherweise die Telefon-Nr. von dem Bereitschaftsdienst. Bei uns nennt sich das noch: Das Hausärzte-Netz.
Unter dieser Nummer bekam ich dann die Handy-Nr. von dem diensthabenden Arzt, der in W. Wohngebiet Bereitschaft hatte.
Dieser Arzt, anscheinend im Auto unterwegs, hörte sich meinen Text an und gab mir zur Antwort: „Das hört sich ja nicht so dramatisch an. Ich habe so viele Patienten, rufen sie mich in 2-3 Stunden noch einmal an.“ Ich sagte dann noch irgendwie danke, drückte auf die Gabel und guckte den Telefonhörer an. Irgendwie war ich jetzt im ganz falschen und schlechten Film gelandet.
Während sich mein Mann im Wohnzimmer aufregte, fiel mein Blick auf den Notrufkasten der Johanniter, der neben dem Telefon steht. Irgendwie war ich blockiert und rief erst einmal ganz normal über Telefon die Johanniter an. Der junge Mann sagte direkt: „Bitte benutzen sie unseren Notruf. Ich sitz gleich daneben.“
Dann ging alles sehr schnell. Innerhalb von 7 o. 8 Minuten war der Dienst der Johanniter bei W., nach 10 Minuten war der Krankentransport da.
W. hatte Wasser in den Beinen und wohl eine dicke Blasenentzündung, daher das Blut. Der Blutdruck war sehr stark dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Die ganze Sache hätte böse enden können, vor allen Dingen, weil W. obendrein auch ein Sturkopf ist und den Notruf-Finger nicht trägt. Er wäre gar nicht mehr ans Telefon gekommen.
Ich habe mir am Ende des Tages überlegt, vielleicht hätte ich am Telefon sagen sollen, der Herr liegt auf dem Boden. Vielleicht wäre dann sofort der wirkliche Notarzt gekommen und 112 hätte gereicht.
Nach diesen zwei Geschehnissen zweifel ich manchmal sehr stark an unserer Gesundheitsreform.
Wie ist es bei euch? Wart ihr auch schon mal "im falschen Film"?
Habt ihr euch auch gedacht, diese Rolle wollte ich ganz bestimmt nicht spielen oder habe ich nicht erwartet?
Liebe Grüße von
Kathi (die diese Woche ein locker leichtes Osterthema machen wollte)