In der Februar Ausgabe der Connection schreibt der Herausgeber Wolf Schneider über das Thema "Personenkult". Dabei thematisiert er auch die Frage "Was ist ein Experte?" (S. 21f): "Experten-Rat, das ist es, was wir heuzutage akzeptieren, und überwiegend ziemlich blind". Da stellt sich mir die Frage: Wer ist überhaupt ein Reiki-Experte? Ein paar Gedanken für dieses Blog…
Irgendwann wurde Wolf von einem Lektor des Rowohlt Verlages gebeten, ein Buch über Tantra zu schreiben: "Der Verlag prüfte die Verkaufschancen, sagte zu, und ich schrieb das Buch. So bin ich zum Tantra-Experten geworden. Niemand prüfte, ob ich weiß, worüber ich da schreibe […] Ob das, was drin stehe, wahr ist oder Gutes bewirkt ist Nebensache."
Bin ich ein Reiki-Experte, nur weil ich zwei Bücher darüber herausgegeben habe? Ist Frank Arjava Petter mit seinen vielen Reiki-Büchern ein Reiki-Experte? Oder all die vielen AutorInnen, die das ein oder andere Werk, manchmal nur als Book on Demand, herausgebracht haben?
Seit das von mir herausgegebene Buch für Reiki-Meister auf dem Markt ist, häufen sich die Anfragen. Jeden Tag erhalte ich eMails oder gar Anrufe von Reiki-Meistern, die um Rat nachfragen. Ja, wer ein Buch veröffentlicht hat, scheint als Experte betrachtet zu werden. Aber ist er das wirklich?
Meine Laufbahn als Reiki-Publizist begann 1995/96 beim Reiki-Meister-Rundbrief, dem Vorläufer des Reiki-Magazins, den mein Meister Jürgen Kindler von 1991 bis 1999 herausgegeben hat und der sich nur an Meister und Meisterschüler richtete. Ich begann damals mit der Rezension zweier Bücher, mündete damit in meine Laufbahn als Verantwortlicher der Rezensionen im Reiki-Magazin und stellte mir bereits damals eine der Fragen, die mich seitdem beschäftigten: Wieso schreiben manche Meister Bücher und manche nicht?
Unter den letztgenannten sind viele, die eher der Tradition der mündlichen Überlieferung folgen. Geschah dies vielleicht auch zum Nachteil der Reiki-Lehre? Wo würde die heutige Reiki-Szene stehen, wenn beispielsweise Phyllis Furumoto frühzeitig ein Buch geschrieben hätte?
Bei verschiedenen AutorInnen stellte ich dagegen fest, dass Wolfs obiges Beispiel genau zutraf: Reiki war gerade in, ein Verlag stellte fest "Oh, wir brauchen auch mal ein Reiki-Buch im Programm" und irgendjemand sagte: "Ich weiss über drei Ecken von einer Reiki-Meisterin". So entstanden so manche Werke, bei denen ich nicht den Eindruck hatte, dass hier ein Experte am Werk gewesen ist, und wo so immer wieder Fehler und Märchen einfach aus anderen Büchern abgeschrieben wurden.
Bin ich nun ein Experte, weil ich mir die Möglichkeit eigener Publikationen langfristig und kontinuierlich erarbeitet habe? Wenn ich zurückschaue, könnte ich es als Glück oder Fügung bezeichnen. Ich hatte mir genau den Meister ausgesucht, bei dem ich mein Potential als Autor weiter entfalten konnte, der mich in meinem Wachstum unterstützte – und dies bis heute noch tut!
Es wäre falsche Demut zu behaupten, "dass ich weiss, dass ich nichts weiss". Vierzehn Jahre intensiver täglicher Reiki-Praxis, die Rezensionen von 70 Reiki-Büchern für das Magazin, bei denen ich jeden einzelnen Satz gelesen habe, die Beantwortung vieler Fragen übers das Internet seit zehn Jahren (eMail) bzw. acht Jahren (Reiki-land.de) sind sicher nicht spurlos an mir vorbei gegangen.
Doch ist mir gleichzeitig bewusst, dass all dies nur die Spitze des Eisberges darstellt. Manchmal erahne ich, was da in der Tiefe noch alles auf mich wartet – genug für ein ganzes Leben voll mit Reiki. Manchmal begegne ich anderen Meistern – Phyllis Furumoto und Don Alexander – und bin begeistert von der Tiefe, die ich bei diesen Menschen im persönlichen Kontakt finde. Ich fühle mich dann angesichts dieser fühlbaren Weisheit wie ein "junger Wilder" und sehe andere Forschende wie Oliver Klatt oder Peter Mascher als einen Kreis junger Autoren, die sich gegenseitig unterstützen.
Wir haben hohe Standards an uns selber. So, wie ich als Hochschuldozent für meine Studenten eine gewisse Verantwortung getragen habe, tue ich dies auch für das, was ich meinen LeserInnen präsentiere. Und bin mir gleichzeitig bewusst, dass das Lernen für mich nie ein Ende hat – das war meine ursprüngliche Intention, mit der ich 1993 in mein Seminar zum ersten Grad gestartet bin.
Auch wenn ich Meister bin: ich bin weiterhin auch immer – und vor allem! – ein Student des ersten Grades. Der erste Grad ist die Essenz des Usui-Systems. In unserem Sein als Schüler des ersten Grades sind wir alle frei. Wir
haben noch nicht die Verantwortung, die man als Reiki-Meister für das
System trägt, das man weitergibt. So schön es sein kann,
Verantwortung auch mal zu delegieren, die Verantwortung für uns selbst sollten wir nicht leugnen: Wachstum braucht das Bewusstsein der Verantwortung. Egal ob ich bewusst agiere oder bewusst loslasse: ich kreiere meine Realität. Und die Summe all dieser persönlichen Entscheidungen eines jeden von uns bestimmt unsere irdische Realität als Gemeinschaft von Menschen.
Was ich meinen SchülerInnen heute mit auf den Weg gebe, ist folgendes: Du kannst die Worte deines Lehrers im Seminar hören, die Bücher von Autoren lesen, Zeilen anderer Reiki-Menschen im Internet. Denke darüber nach und fühle in dich hinein. Und entscheide dann, was zu deinem Weg gehört und was nicht. Du bestimmst über dein Leben, niemand sonst. Sei dein eigener Experte auf deinem eigenen Reiki-Weg!
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mmulibra – A Path
Ich möchte an dieser Stelle an das aus meiner Sicht Wesentliche in spiritueller Arbeit erinnern: An den Anfang, und der IST immer HIER & JETZT … und der Anfang von Reiki liegt auch nicht in irgendwelchen Einweihungslinien (obwohl ich davon auch in den verschiedenen auf Usui Sensei basierten Traditionen durchaus mehrere vorweisen kann). Auch der Anfang von Reiki liegt im gegenwärtigen Augenblick verborgen und wartet (du fragst: “Wann?”) immer genau JETZT auf unser Innehalten, das Gewahrwerden, dieser immensen Präsenz von Liebe & Bewusstheit aus der sich der ewige Strom von Energie & Gnade in unser Leben, in jeden Augenblick unseres Lebens ergießen und uns erquicken, beglücken und befreien will.
Usui Sensei war in dieser Präsenz und hat im Reiju jeden seiner Besucher beschenkt … jeder erhielt von ihm aufs neue einen kleinen Schubs unter die Dusche der Gnade. Da ging es nicht um Expertentum, sondern um Präsenz, um die Achtsamkeit, zu erkennen, wer die energetische Reife für die nächsten Schritte hat … das können Experten nicht erfassen. Experten haben den Urgrund längst verlassen, wenn sie ihn je betreten hatten … Nur der Anfänger-Geist von Mikao Usui war fähig, die Menschen achtsam auf ihrem Weg zu begleiten, ohne den Anfang zu verlieren. Schon Herr Hayashi machte sich zum ersten Experten und erzeugte über Frau Takata eine Linie weiterer Experten nach sich … bis Reiki seinen Weg nach Hause fand und nun auch mit Reiki uns allen wieder der Weg des Anfangs offensteht …
Ich möchte mit einem Zitat des “Meisters des Anfänger-Geistes” Shunryu Suzuki schließen: “im Anfänger-Geist gibt es keinen Gedanken: “Ich habe etwas erreicht.” Alle selbstbezogenen Gedanken grenzen unseren unendlich weiten Geist ein. Wenn wir nicht daran denken, etwas zu erreichen, nicht an uns selbst denken, sind wir wahre Anfänger. Dann können wir wirklich etwas lernen. Der Geist de Anfängers ist der Geist des Mitgefühls. Wenn unser Geist mitfühlend ist, ist er grenzenlos.” (Aus “Zen-Geist Anfänger-Geist” Theseus Verlag, Seite 23)