Meine Gefühle beim Umgang mit Demenzkranken

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Sonnenlicht
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Meine Gefühle beim Umgang mit Demenzkranken

Beitrag von Sonnenlicht »

Hallo ihr Lieben,

heute hat mich meine Tätigkeit als Alltagshelferin doch ganz schön emotional berührt.

Obwohl ich schon eine Erfahrung bei der Betreuung eines netten alten Herrn mit Altersdemenz machen durfte, hat mich das heute ziemlich umgehauen.

Wie schon bei dem alten Herrn hatte ich auch hier dieses Gefühl von Mitleid, Liebe zu dem Menschen...ach, ich weiß gar nicht, wie ich das ausdrücken soll. Es ist so das Gefühl "wie süß so ein alter Mensch in seiner Hilflosigkeit doch ist".

Diese Frau lebt nun mit ihrer Katze, ihren vielen Plüschtieren und Kunstblumen in einer Einrichtung für betreutes Wohnen. Sie redet sehr viel und ich erzähle auch, zeige Interesse an allem, was sie sagt, auch wenn sie sich ständig wiederholt.

Als ich mich um die Reinigung der Wohnung kümmerte, bemerkte ich, wie sie sich mit einem Teddy, ihrer Katze, mit Vögeln unterhielt, mit dem Teddy kuschelte. Alle sind ihre Kinder. Da standen mir doch die Tränen in den Augen.

Obwohl sie schon viel vergessen hat, konnte ich einiges aus ihrem Leben erfragen. Da war die Rede von einem toten Kind, ihr Bedauern, dass sie keine weiteren Kinder bekommen konnte, Mann verstorben usw.

Es fiel mir sehr schwer, damit emotional umzugehen. Ich hab immer wieder gedacht "jetzt bloß nicht heulen".
Aber ich muß lernen, mit solchen Schicksalen umgehen zu können, da ich das Ziel habe, im Pflegedienst zu arbeiten. Für einen entsprechenden Lehrgang habe ich mich angemeldet, will nun einige Einrichtungen akquirieren, um eventuell parallel dazu einen Job zu bekommen.

Nur wie macht man das? Wie kann man lernen, sich das nicht so intensiv an sich rankommen zu lassen?

Liebe Grüße

Sonnenlicht
Spiralfrau

Beitrag von Spiralfrau »

Hallo Du!

Das nicht "mit - leiden" bringt die Zeit. Es wird immer Menschen geben, die Dich emotional mehr berühren als andere. Man muss sich bewußt sagen: das ist nicht mein Leid!
Ich versuche bewußt, wenn ich zur Arbeit gehe, die Privatperson Regina an der "Garderobe" abzugeben. Dann kommt die Krankenschwester zum Vorschein. Ebenso halte ich es, wenn ich heimgeh. Die Dinge der Arbeit verbleiben im Krankenhaus.
Es gelingt mal mehr, mal weniger. Gerade wenn man Patienten lange kennt und die dann versterben - das hakt man nicht so einfach ab.

Regina
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Tati
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Beitrag von Tati »

ja das ist schon schlimm
ich weiß auch nicht ob es mir anders ging. Ehrlichgesagt hab davor etwas Angst dass auch mir dann als physiotherapeut passiert udn ich dann nicht weiß wie ich damit umgehen soll. Aber ich hoffe dass ich das dann in der Ausbildung lernen werde
Heute ist der Tag um alles zu verändern
Kobold2

Beitrag von Kobold2 »

hi liebes Sonnenlicht,

Gestern habe ich noch darüber nachgedacht, wo ich mir auch die Frage stellte, wie ich mehr Distanz zum Schicksal eines Menschen bekommen kann.

Manchmal bleibt einen wohl einfach nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren um frei davon zu werden. Ich denke das Leben jetzt zu leben und das beste daraus zu machen ist das Einzige was wir tun können, die Vergangenheit können wir nicht ändern.

Gerade bei alten Menschen hört man oft, wieviel besser es doch damals war, bei manchen scheint die Vergangenheit das einzig Schöne zu sein.

Das Leben jetzt schön zu machen, mit all dem was ist und gewesen ist, das denke ich, ist etwas was wir tun können und das geht nur in der Gegenwart.

Manche rühren gerne im Eintopf von Vorgestern herum und suhlen sich darin, da schließe ich mich selber gar nicht aus, doch bringen tut es oft nichts außer Kummer und noch mehr Sorgen. Die Vergangenheit und die damit verbundenen Erlebnisse sind nicht zu ändern, allein die Akzeptanz dessen was war, macht einen frei für die Gegenwart, dazu brauche ich auch keine Therapie, wenn ich die Dinge einfach so akzeptiere, wie sie nunmal gewesen sind bin ich frei davon.

Der Kampf entsteht ja dadurch, das wir die Dinge eben nicht akzeptieren wollen oder können. Dazu gehört Demut, worunter ich eben diese Akzeptanz verstehe, auch die für uns so schwer akzeptierbaren Dinge hinzunehmen.

Wie Kurt Tepperwein sagte, das Leiden entsteht immer nur dann, wenn wir Nein sagen. Durch das Nein stärken wir unser Ego, bauen Mauern um uns herum, durch das Ja kommen wir in Kontakt mit dem Leben und unserem wahren Selbst.

Ich verneine das jetzige Leben eigendlich auch damit, das ich mit den Gedanken in der Vergangenheit festhänge und mich für die Gegenwart blockiere.

Naja, aber das ist alles sehr theoretisch muß ich zugeben.

lieben Gruß, Roland
LarsU

Beitrag von LarsU »

Hallo Sonnenlicht,
ich würde Dir empfehlen, das Leid und die Trauer nicht zu unterdrücken, wenn Du sie spürst. Vielleicht kannst Du später drüber weinen. Wegdrücken hielte ich jedenfalls für ungesund. Das man traurig wird, wenn man etwas trauriges sieht, halte ich für ein Zeichen von Gesundheit, Professionalität hin oder her.
Herzliche Grüße!
LarsU
peterwup
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Beitrag von peterwup »

@hallo Sonnenlicht,

ich meine auch, Du solltest Deinen Gefühlen vielleicht wirklich ruhig einmal freien Lauf lassen.
Am vergangenen Samstag durfte ich eine ältere Dame begleiten, die im sterben lag. Immer wieder wenn Du dachtest - "das war jetzt wohl der letzte Atemzug, nun hat sie es geschafft", kam plötzlich - nach langer, langer Zeit doch noch einer und noch einer, unterbrochen durch lange Pausen.
Teilweise war sie ganz klar bei Bewusstsein und sprach von Ihrer Angst vor dem Tod und doch wieder der Sehnsucht zu Ihrer ein halbes Jahr vorher verstorbenen Zwillings-Schwester.
Zu guter letzt ist sie dann doch "recht ruhig" gegangen und ich habe mich meiner Tränen nicht geschämt - aber auch das war für mich ein langer Weg. :oops:
Ich wollte dir gakeine lange Geschichte schreiben :roll: , sondern nur Mut geben, Deine Gefühle auch zu zeigen :achtung: - die Erfahrenen Kollegen werden dich dafür nicht verurteilen.
Liebe Grüße
Peter
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Lehrling
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Beitrag von Lehrling »

Hallo Sonnenlicht,
wenn Du die ganze Situation mal so siehst: die alte Dame hat sich "Ersatz" gesucht , um berührung und Zärtlichkeit zuhaben, sie nimmt sich das,was sie nötig hat , ganz aktiv - anstatt zu sitzen und zu warten und womöglich zu jammern , daß es ihr jemand gibt, das finde ich doch toll. Wenn Du ihr dann mal liebevoll über den Arm oder die Schultern streichst, daß sie auch noch eine ganz lebendige Berührung hat ..... für euch beide etwas positives.
Aus dem, was man hat, das Beste machen!


liebe Grüße
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Feodora
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Beitrag von Feodora »

Ich frage mich gerade, wie es wohl wäre, wenn du einfach zu ihr sagst: Ihre Lebensgeschichte berühert mich sehr und sie macht mich auch traurig... ???
Ich liebe das Leben und das Leben liebt mich!
Und [b]alles[/b] was geschieht, ist Ausdruck dieser Liebe!
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Rica
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Beitrag von Rica »

Ich bin ganz gerührt, wie schön Ihr das alle beschrieben habt!

Liebe Sonnenlicht,
ich kann den anderen in allem zustimmen.
Zu Beginn meiner Arbeit mit alten Menschen war ich auch so aufgewühlt, wie du es beschreibst. Ich habe damit auch ziemlich meine Partnerschaft belastet und viel zu viel zu Hause abgeladen. Das wurde besser, nachdem ich mich mit meiner Seminargruppe austauschen konnte und kann.
Ich finde es mittlerweile sehr wichtig, Austausch mit Menschen zu haben, die die Arbeitssituation kennen. Allein das Wissen, dass die anderen mit genau diesen/meinen Problemen und Ängsten zu kämpfen haben, macht so ein großes gemeinsames Gefühl aus, dass es fast nicht zu beschreiben ist. Und das sind die Momente, wo ich mich sehr getragen fühle und wo ich auftanken kann.

Auch die vielen kleinen Sonnenstrahlen im Pflegealltag kann ich mittlerweile sehr sehr genießen. Das macht ganz vieles wieder gut, wo es unangenehme Begegnungen oder Arbeitssituationen gab.
Es ist eine schwere Arbeit, aber ich empfinde, dass ich viel mehr an innerem Reichtum für mich zurück bekomme, als von irgendeinem anderen Beruf, den ich vorher ausgeübt habe.

Manchmal, wenn es mir schwer fällt, den körperlichen und geistigen Verfall der alten Menschen zu ertragen, dann tröste ich mich damit, dass diese Leute ein langes Leben hatten und gewiss viele erfüllte Jahre. Die Natur holt sich einfach irgendwann zurück, was sie gegeben hat.

Gefühle in der Pflege zulassen ist ganz notwendig, damit unser Herz nicht zum Stein wird und wir für die Schutzbefohlenen unerreichbar werden; damit unsere Seele sich nicht einmauert und wir unser eigenes Leben nicht mehr erleben und erfühlen können.
Tränen können so befreien. Sollte das die Frau mal bemerken, die du betreust - was wäre daran schlimm? Ich könnte mir vorstellen, wenn sie so lieb zu ihrem Umfeld ist, dass sie dich direkt in den Arm nehmen würde.

Mit Dementen eine gemeinsame Sprache finden, das ist eine echte Herausforderung.
Ich bin froh, dass wir darüber sehr viel lernen in der Ausbildung. Das war bis vor ein paar Jahren noch kein Thema.

Ich habe dir jetzt einiges über mich geschrieben. Vielleicht hilft dir das ein wenig weiter.

Für deinen weiteren Weg alles Liebe!
ganz liebe Grüße von Rica
[color=violet][b]Nur wer nicht ganz dicht ist, kann für alles offen sein. [/color][/b][img]http://www.world-of-smilies.com/html/images/smilies/love/liebe20.gif[/img][img]http://www.world-of-smilies.com/html/images/smilies/love/liebe26.gif[/img]
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Saranta
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Beitrag von Saranta »

peterwup hat geschrieben: ich meine auch, Du solltest Deinen Gefühlen vielleicht wirklich ruhig einmal freien Lauf lassen.
Am vergangenen Samstag durfte ich eine ältere Dame begleiten, die im sterben lag. Immer wieder wenn Du dachtest - "das war jetzt wohl der letzte Atemzug, nun hat sie es geschafft", kam plötzlich - nach langer, langer Zeit doch noch einer und noch einer, unterbrochen durch lange Pausen.
Teilweise war sie ganz klar bei Bewusstsein und sprach von Ihrer Angst vor dem Tod und doch wieder der Sehnsucht zu Ihrer ein halbes Jahr vorher verstorbenen Zwillings-Schwester.
Zu guter letzt ist sie dann doch "recht ruhig" gegangen und ich habe mich meiner Tränen nicht geschämt - aber auch das war für mich ein langer Weg. :oops:
Ich wollte dir gakeine lange Geschichte schreiben :roll: , sondern nur Mut geben, Deine Gefühle auch zu zeigen :achtung: - die Erfahrenen Kollegen werden dich dafür nicht verurteilen.
Ich kann da nur zustimmen... Ich finde es auch sehr wichtig, seinen Gefühlen Platz zu lassen- schließlich sind wir alle Menschen. Was wäre die Pflege, wenn man für die Personen, die man betreut nichts mehr übrig hätte?
Und wenn nicht währenddessen, dann gibt es immer noch die Möglichkeit, sich danach mit netten Kollegen darüber zu unterhalten, das bringt mir z.B. in schweren Situationen auch sehr viel...

alles Liebe dir

Saranta
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Sonnenlicht
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Beitrag von Sonnenlicht »

Hallo ihr Lieben,

vielen Dank für eure aufmunternden und mutmachenden Worte. :P

Ja, Austausch untereinander ist sehr wichtig. Und gerade das haben wir bei einer Adventsfeier beschlossen. Im Februar treffen wir uns das erste Mal mit allen, die diese alten Menschen betreuen (Alltagshelfer, Pfleger, Krankenschwestern).
Es soll ein regelmäßiger Austausch zum Wohle dieser Menschen werden. Es ist doch so, dass jeder andere Beobachtungen macht, da wir zu unterschiedlichen Tageszeiten dort sind. Die Schwester beobachtet sicher anderes als der Alltagshelfer, der mitunter mehr Zeit hat für Gespräche mit den Betreuten. Und das alles (zB trinkt der Diabetiker tagsüber genug? Wie ist der Demenzkranke morgens oder am Nachmittag drauf?) "in einen Topf geworfen" sagt uns, was wir verbessern können.

Noch traue ich mich nicht so richtig, meine alten Leutchen in den Arm zu nehmen. Noch tue ich es unauffällig, zb wenn ich jemandem in den Mantel helfe, wenn wir spazieren gehen wollen oder im Gespräch mal kurz den Arm berühren.
Aber mein Wunsch nach mehr Berührung ist da und es wird kommen, denn ich liebe diese Menschen und tue die Arbeit gern.

Liebe Grüße

Sonnenlicht
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Sonnenlicht
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Beitrag von Sonnenlicht »

Hallo,

hier nur mal kurz ein "Rapport" von heute:

Ich habe eure Ratschläge angenommen. Hab die Frau sozusagen aus Abstand betrachtet, mich aber trotzdem liebevoll um sie gekümmert. Sie hat heute sogar viel gelacht. Das freut mich riesig!
Und ich habe mich endlich getraut, sie beim Abschied zu berühren und habe meine Hand auf ihren Arm gelegt.

Liebe Grüße

Sonnenlicht
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Beitrag von Lehrling »

Klasse, Sonnenlicht
:applaus: :applaus: :daumen:

liebe Grüße
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Beitrag von peterwup »

@Sonnenlicht,

und so wie ich "Dich" lese, war das alles richtig schön stimmig für Dich!
:D :D :D :D

Liebe Grüße
Peter
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Rica
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Beitrag von Rica »

Das ist ja schön! Ich freue mich auch mit.
[color=violet][b]Nur wer nicht ganz dicht ist, kann für alles offen sein. [/color][/b][img]http://www.world-of-smilies.com/html/images/smilies/love/liebe20.gif[/img][img]http://www.world-of-smilies.com/html/images/smilies/love/liebe26.gif[/img]
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Saranta
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Beitrag von Saranta »

Ich finde das auch schön :-) *freumich*
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