Im Jahr 1992 hieß das Thema der Herbstwoche „Lebensziele“. Und gerade in diesem Herbst ging mein Mann von seinem bis dahin gesicherten Schreibtischjob bei einer großen Firma in die Unsicherheit einer Selbständigkeit. Mein Mann, ein alter LKW und ich als Bürogehilfin, das war unsere Zukunft. Und die Kinder waren noch so klein.
Meine Vorstellungen von der Zukunft hätte ich aufmalen können: Ein Haus, ein Garten mit vielen Blumen, spielende Kinder, glückliche Eltern, evtl. ein Hund, eine lachende Sonne und viele Vögel am Himmel. Und immer einen Zaun rundherum. Eine Familie bedeutete Glück für mich, war meine Zukunft, mein Ziel und meine Sicherheit.
Bei der Herbstfreizeit sollten wir unsere derzeitige Situation aufmalen und dann ein Zukunftsbild. Meine derzeitige Situation malte ich in Form eines sinkenden Schiffes und fiel in ein großes Loch.
Ich war anschließend zur Kur mit den Kindern und zwei Jahre in Therapie (zum ersten Mal in meinem Leben). Die beste Therapie, die ich bis jetzt überhaupt hatte.
Seit 1 ½ Jahren bin ich erneut in Therapie. Um mich mit meinen Ängsten wegen meiner Erkrankung besser auseinandersetzen zu können und um Hilfestellung im Alltag zu bekommen und auch mal die Vergangenheit abzuchecken.
Da fragt mich mein Therapeut vor 3 Monaten doch nach meinen Lebenszielen.
Ich brauchte gar nicht lange zu überlegen: “Ich möchte alles Mögliche dafür tun, damit ich ohne Rollstuhl oder Blindenstock/Blindenbrille alt werden kann. Schließlich möchte ich auch mal mit meinen Enkelkindern spielen können.“ Punkt, aus ...... und Ruhe im Raum.
Dem Therapeuten war das zwar verständlich, aber zufrieden war er nicht mit meiner spontanen Antwort.
Und jetzt ist wieder Aufregung in meinem Leben. Mein Mann ist von der Selbständigkeit ins Angestelltenverhältnis zurück. Er tourt weiterhin durch ganz Deutschland. Die Kinder sind schon groß und kaum noch zu Hause.
Ich betüddel zwei alte Damen und mache als Minijob die Haushaltshilfe.
Jetzt kann ich mich natürlich auch neu orientieren. Beruflich gesehen. Wäre finanziell wichtig. Vielleicht???
Ist es mir überhaupt wichtig? Brauche ich noch viel in meinem zukünftigen Leben?
Durch die Wechseljahre bedingt beschäftige ich mich viel mit dem Wort „wechseln“! Was werde ich wechseln? Was wird mir die Zukunft bringen?
Ach wisst ihr, meine erste Antwort gegenüber dem Therapeuten war die beste überhaupt

Denn ich habe nur dieses eine Leben. Und ich versuche jeden Tag aufs neue, zu leben. In meiner mir eigenen Normalität.
Ziele, das Wort klingt so weit weg, so endgültig.
Wir leben doch im HIER und JETZT. Oder leben wir jetzt hier für unsere Ziele, für unsere Zukunft?
Und wo habt ihr eure Lebensziele gesteckt?
Es grüßt aus dem Pott
Eure Wochenthemen-Kathi