Hallo Peter,
ich kann dir recht gut nachfühlen, wie es dir geht. Ich habe bis vor ca.
2 Jahren fast ständig das Gefühl eines übersäuerten Magens gehabt, und
wenn das so weiter gegangen wäre, dann hätte ich sicher heute ein
Magengeschwür. Damals hat mir mein Arzt (Naturheilmediziner) ein Buch
von Gay Hendricks, "Bewusster Leben und Lieben", empfohlen, durch das (und
durch die Seminare, die ich inzwischen bei Hendricks besucht habe) ich
ein tiefes Verständnis über die Ursachen gewonnen habe, warum wir uns so
oft als Opfer unserer Umwelt fühlen. Warum hast du z.B. das Gefühl, dass
du dich über deinen Kollegen ärgern "musst", bzw. du dich als Sklave
deines Ärgers fühlst? (Das hörte sich jedenfalls für mich so an, dass
du so empfindest)
Dass wir uns über andere ärgern, weil wir eigentlich die Seiten an uns nicht
lieben, die wir am anderen kritisieren - fehlende Selbstliebe - wie es in
verschiedener Weise schon angesprochen wurde, kann ich voll und ganz unter-
schreiben, aber auch wenn mir diese Einsicht ganz plausibel ist, so spricht
sie doch zuerst mal meinen Kopf an, und wie ich zu mehr Selbstakzeptanz
gelange, und wie ich meinen Ärger loswerde, weiß ich immer noch nicht.
Ich kenne inzwischen einige ganz pragmatische Herangehensweisen an ein
solches Problem:
- Beobachte deinen Atem, wenn du feststellst, dass du dich ärgerst. Hältst
du den Atem an? Atmest du schnell und flach in die Brust? Wenn ja, versuche,
dich innerlich kurz zurückzulehnen und langsam und tief in den Bauch zu atmen,
4-5 sec ein und 4-5 sec wieder aus, ohne dazwischen die Luft anzuhalten. Wir
ändern unsere Atmung bei Angst (Fluchtreflex) oder Aggression (Angriffsverhalten)
aufgrund unserer "tierischen" Programme, folglich können wir durch die bewusste
Änderung unserer Atmung auch diese Gefühle beeinflussen.
- In dem Moment, in dem du feststellst, dass du dich nicht mehr in Ordnung
fühlst, meinetwegen, wenn dein Kollege einen Spruch macht, der dich in Wut
bringt, versuche nicht, das Gefühl zu unterdrücken oder wegzudenken, sondern
nimm es bewusst wahr. Wenn möglich, sorge dafür, dass du es ausdrücken kannst.
Achte dabei auf deine Körperempfindungen. Dein Körper weiß viel früher über
deinen emotionalen Zustand Bescheid, als dein Verstand. Z.B.: "Wenn mein
Kollege das sagt, dann fühle ich, dass sich mein Magen verkrampft und ich
fühle Wut in mir aufsteigen." Wenn möglich, sage dies deinem Kollegen direkt.
(Ich weiß, das erschien mir anfangs auch utopisch, aber meist erhält man
überraschende positive Reaktionen). Wenn nicht, schreibe es auf, geh in einen
anderen Raum und sprich es aus oder so etwas.
Nimm dich liebend für das Gefühl an.
Versuche, herauszufinden, welche Körperempfindungen zu deinen Gefühlen
gehören. So ist Wut oft mit Kopf- oder Nackenschmerzen verbunden, Trauer
manifestiert sich meist im Brustbereich, Angst in der Magengegend. Achte
darauf, was dein Körper dir sagen möchte, bevor du es mit deinem Verstand
zu interpretieren suchst.
Gefühle und die dazugehörigen Körperempfindungen wollen wahrgenommen werden,
manchmal verschwinden sie dann einfach schon.
- Wenn du dich aufregst, übertreibe deine Rolle. Angenommen, du regst dich
darüber auf, dass dein Kollege schon wieder seine Kaffeetasse hat stehenlassen,
und du musst sie nach Dienstschluss wieder wegräumen: "So ein rücksichtsloser
Faschist! Wegen so einem geht die Welt kaputt! Der Mann zerstört mein ganzes
Leben!...". Meist, wenn ich das mache, erscheint mir das, worüber ich mich
ärgere, hinterher lächerlich und bedeutungslos, und - viel wichtiger - meine
Wut ist dann wie weggeblasen.
- Oft ärgern wir uns über Dinge, die wir nicht kontrollieren können, oder
weil wir sie nicht kontrollieren können.
Lass das Unkontrollierbare los!
Wenn du dich über etwas ärgerst, frage dich, ob du es kontrollieren kannst.
Du kannst beispielsweise nicht kontrollieren, ob dein Kollege die Kaffeetasse
stehen lässt, also steckst du besser keine Energie hinein, um ihn dazu zu
bringen, sich anders zu verhalten. Du kannst ihm gegenüber aber sehr wohl
ausdrücken, dass du die Tasse nicht für ihn wegräumen möchtest.
Ganz allgemein versuchen wir immer gerne, das Verhalten anderer zu ändern.
Tatsache ist aber, dass wir nur uns selbst ändern können.
- Ärger bzw. Wut ist meist nur ein sekundäres Gefühl. Normalerweise
versteckt sich darunter als wahre Ursache Angst (häufiger) oder Trauer
(seltener). Versuche, herauszufinden, was sich unter deinem Ärger verbirgt.
(Ja, leichter gesagt als getan
)
Und hier noch etwas für den Verstand: Bitte anschnallen und die Sitze in
eine aufrechte Position bringen.
Wir bekommen immer, was wir wollen.
Ja, bei diesem Satz sträuben sich den meisten die Nackenhaare, aber wenn
wir ganz ehrlich zu uns selbst sind, dann stellen wir fast immer fest, dass
wir uns für alles, was unsere Realität ausmacht, entschieden haben. So hast
du dich dafür entschieden, auf deinem Arbeitsplatz zu bleiben. Richtig? Du
hast dich dafür entschieden, dich über deinen Kollegen zu ärgern, statt an
der Situation etwas zu ändern. Richtig?
Ebenso tragen wir die volle Verantwortung für all unsere Gefühle. Ich meine
nicht Verantwortung im Sinne von Schuld, sondern eben im Sinne von
Verantwortung. Mit Gefühlen umgehen funktioniert nur, wenn wir sie bewusst
wahrnehmen, sie akzeptieren und sie uneingeschränkt als Teil von uns lieben.
Gefühle verschwinden nicht, indem wir sie verdrängen oder verleugnen.
Ich habe heute keine Magenprobleme mehr
Ja, das war in Telegrammstil ein wenig von dem, wie man zu einem bewussteren
Leben kommen kann. Wenn dich das, was ich dir da so vor die Füße geworfen
habe, anspricht, gebe ich dir gerne weitere Informationen. Oder lies einfach
mal das Buch.
Liebe Grüße
Björn 